Sendung: Mittendrin Redaktion
AutorIn: Jeanine Rudat
Datum:
Dauer: 03:02 Minuten bisher gehört: 225
Alle lieben Elizabeth Zott. Dass es sie nicht gegeben hat, kann Literaturkritikerin Elke Heidenreich kaum glauben, so authentisch wird sie in Bonnie Garmus‘ weltweit erfolgreichem Debütroman „Eine Frage der Chemie“ dargestellt. Gestern war die gebürtige Kalifornierin zu Gast beim Göttinger Literaturherbst im Deutschen Theater und hat aus ihrem Erstlingswerk gelesen. Ob die Preise und Auszeichnungen für den Roman gerechtfertigt sind und sich der Besuch der Lesung lohnt, weiß Jeanine Rudat.

Bonnie Garmus - Eine Frage der Chemie

Manuskript

Text

Dass man gleich mit seinem ersten Roman einen Welterfolg landet, das ist außergewöhnlich. Die gebürtige Kalifornierin Bonnie Garmus hat dies mit „Eine Frage der Chemie“ geschafft. 2022 stürmte ihr Buch auf Anhieb die Bestsellerlisten und hat seit seiner Publikation weltweit Millionen von Leser:innen in 40 Ländern begeistert. Auch in Deutschland war ihr Buch sehr beliebt, sowohl bei den Kritiker:innen, als auch bei den Lesenden. Es wurde „Lieblingsbuch der Unabhängigen“ und „Spiegel-Jahresbestseller“.

 

Doch worum geht es in dem zunächst sehr wissenschaftlich klingenden Roman? Elizabeth muss sich im Jahr 1961 gegen die vorherrschenden Gesellschaftsnormen behaupten. Denn sie ist keine durchschnittliche Hausfrau, die gerne sonntags einen Kuchen backt und sich um Mann und Kind kümmert. Sie ist eine Frau mit dem unverkennbaren Auftreten eines Menschen, der nicht durchschnittlich ist und es nie sein wird. Niemand traut ihr und auch allen andere Frauen zu, Chemikerin zu werden. Außer Calvin Evans, dem einsamen, brillanten Nobelpreiskandidaten, der sich ausgerechnet in Elizabeths Verstand verliebt. Aber auch 1961 geht das Leben eigene Wege. Und so findet sich eine alleinerziehende Elizabeth bald in der TV-Show „Essen um sechs“ wieder. Doch für sie ist Kochen Chemie. Und Chemie bedeutet Veränderung der Zustände ...

 

Der Inhalt von Garmus´ Erfolg klingt erstmal nicht sehr spektakulär. Aber warum begeisterte ihr Buch dann so viele Leser:innen? Das lag vor allem an ihrer Hauptprotagonistin. Elizabeth sprüht nur so vor Originalität und Sprachwitz. Mit ihrer außergewöhnlichen Art springt sie einem sofort ins Herz. Neben ihr ist auch ihr Hund namens Halbsieben, der Elizabeth in ihren dunkelsten Stunden beisteht, ein Sympathieträger des Buches und erfüllt den Roman mit großer, heiterer Lebensweisheit. Ihnen beiden sind auch die beiden Bonuskapitel gewidmet, die die neu herausgebrachte limitierte Schmuckausgabe ergänzen. Eines davon „Halbsieben und die Moms“ war ursprünglich Teil des Buches, wurde aber herausgekürzt, was schade ist, denn es sind herzerwärmende Zeilen über einen Hund, der über viel Empathie verfügt und sich sehr um sein Frauchen kümmert, als diese schwanger in eine Depression verfällt. Autorin Bonnie Garmus beschreibt seine Gedanken und Gefühle, wie er beschließt ihr zu helfen und in den Park zu gehen, um dort andere Mütter und ihre Kinder zu treffen, die seinem Frauchen helfen könnten, wieder auf die Beine zu kommen. Das zweite Bonuskapitel „Kein Appetit“ ist nie Teil des Romans gewesen, aber eine wunderschöne Zeitreise zurück zu den Anfängen des Paars Elizabeth und Calvin, als sie zum ersten Mal in ihrem Apartment für ihn kocht.

 

Garmus Schreibweise nimmt einen sofort gefangen, man folgt Elizabeth gerne durch ihr nicht ganz einfaches Leben. Umso größer ist die Bewunderung für diese genial begabte Chemikerin, die mit ihrer eigensinnigen Art ihr Leben meistert. Der Roman schlägt aber auch Brücken in die heutige Zeit, denn auch 2023 sind Frauen noch nicht gleichberechtigt und müssen sich oft zwischen Kind und Karriere entscheiden. Und gerade bei Social Media boomt das Bild der perfekten Frau, die gut gestylt Cupcakes backt, die Kinder in die Kita bringt und dann zur Arbeit fährt. Ein mitreißender Roman, den jede Generation lesen sollte.