Gemeinschaftsunterkünfte für Flüchtlinge - und danach?
Sendung: | Aufgeweckt - Mehr am Morgen Redaktion |
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AutorIn: | Christoph Höland |
Datum: | |
Dauer: | 03:58 Minuten bisher gehört: 138 |
Manuskript
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Vor Ort in einer Flüchtlingsunterkunft in Göttingen: Lange Korridore, Stahltüren, kahle Wände, , Lärm. Die Bewohner stören sich daran nicht wirklich.
O-Ton 1, Wasey, 18 Sekunden
„Es ist so viel besser als in Friedland. Wir kriegen Taschengeld, wenn ich Lust habe, kann ich für mich kochen. Ich habe einen guten Platz zum leben, ich kann durch die Stadt gehen, die Kultur kennenlernen und Menschen treffen. Ich sehe eine Zukunft für mich.“
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Freut sich Wasey, einer der Bewohner.So wie Wasey sehen viele Flüchtlinge ihre Unterbringungssituation: Dabei haben die Unterkünfte eher niedrigen Jugendherbergsstandard. Es gibt nur enge Doppelzimmer, Gemeinschaftsküchen, teils zu kleine sanitäre Einrichtungen. Außerdem der Lärm der Zimmernachbarn, manchmal Drogenprobleme und viel Streit auf wenig Raum. Trotzdem ist das vorerst für viele Flüchtlinge in Ordnung. Aber dauerhaft?
O-Ton 2, Wasey, 10 Sekunden
„Niemals. Jedenfalls nicht ich. Ich kann nicht länger als vier bis fünf Monate an so einem Ort leben.“
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Damit ist er nicht allein, ähnlich sehen es viele Flüchtlinge in den Gemeinschaftsunterkünften, die mittelfristig gerne ausziehen würden. Weil aber der Wohnungsmarkt seit Jahren überheizt ist, geht der Trend in eine andere Richtung. Derzeit entstehen im Auftrag der Stadt fünf neue, teils riesige, Gemeinschaftsunterkünfte für Flüchtlinge. Dass es anders geht, zeigen hingegen die Besetzer im ehemaligen DGB-Haus in der Oberen Maschstraße: „Our House“ will Flüchtlingen normalen Wohnraum zur Verfügung stellen, das DGB-Haus haben sie renoviert, nachdem es lange leer stand. Weil aber der Leerstand in Göttingen längst nicht für alle Flüchtlinge reicht, fordern sie eine Ausweitung des sozialen Wohnungsbaus, wie Karl Becker erklärt.
O-Ton 3, Karl Becker, 32 Sekunden
„Vor zwei Jahren hat die Stadt ein Papier zur Unterbringung von Geflüchteten erarbeitet. Wo eigentlich drin steht, man müsste sozialen Wohnungsbau machen. Seitdem ist fast nichts passiert. Als Zeiträum, den man bräuchte, um sowas zu bauen, stand da zwei Jahre. Hätte man zu dem Zeitpunkt damit angefangen, hätte man jetzt nicht die Situation, dass man sagen müsste: „Okay, wir haben gar keine anderen Möglichkeiten, wir bringen Leute in Turnhallen unter oder bauen irgendwelche Containersiedlungen.“
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Das „Konzept zur Wohnraumversorgung und Integration von Flüchtlingen“ hat der Rat der Stadt vor knapp zwei Jahren beschlossen. Weil Gemeinschaftsunterkünfte nicht förderlich für die Integration seien und weil zugleich die Akzeptanz in den Stadtteilen gering sei, räumt es dem sozialen Wohnungsbau -Zitat- „höchste Priorität“ ein. Seitdem ist aber nur eine zweistellige Zahl an günstigen Wohnungen entstanden, während Studien den Wohnungsbedarf auf 4000 Wohnungen beziffern. Das liegt einerseits daran, dass Göttingen gerade mitten in der Diskussion über einen neuen Flächennutzungsplan ist. Aber auch daran, dass die Schaffung günstigen Wohnraums für private Investoren kaum rentabel ist, wie Oberbürgermeister Rolf-Georg Köhler erklärt.
O-Ton 4, Rolf-Georg Köhler, 20 Sekunden
Das Problem sind die Baukosten. Das hatte ich aber schon in meinem Wahlkampf gesagt, das habe ich 2014 gesagt. Wir liegen bei über 2000 Euro Baukosten pro Quadratmeter Wohnraum. Für 5,40 Euro, das sind zur Zeit die Mietobergrenzen für den öffentlich geforderten Wohnungsmarkt. In Relation zu den Baukosten ist es trotz Nullzinsen oder geringer Zinsen ökonomisch sehr schwierig, günstig zu vermietenden Wohnraum zu schaffen.
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Auf private Investoren ist also kein Verlass. Auch Köhler setzt deshalb auf öffentlich geförderten Wohnraum.
O-Ton 4, Rolf-Georg Köhler, 20 Sekunden
„Wenn Sie zum Beispiel 500 Euro Zuschuss kriegen würden, pro Quadratmeter, könnten Sie die Mieten sofort, kaufmännisch gerechnet, um 80 Cent bis 1 Euro pro Quadratmeter senken. Nach meiner Überzeugung muss es staatliche Zuschussprogramme für den Wohnungsmarkt geben.“
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Allerdings: Wenn Göttingen seinen Wohnungsbedarf so decken würde, fielen nach Köhlers Rechnung mindestens 80 Millionen Euro Kosten an. Für die Stadt eine unfassbar hohe Summe und die Diskussion über höhere Zuschüsse für den sozialen Wohnungsbau auf Bundesebene, die stockt schon länger.
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