Filmrezension „No country for old men“
Sendung: | Mittendrin Redaktion |
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AutorIn: | Christoph Lohnherr |
Datum: | |
Dauer: | 03:28 Minuten bisher gehört: 130 |
Manuskript
Text:
Schon seit der Antike blicken ältere Generationen pessimistisch auf die nachfolgenden - kein neues Phänomen also. Mit einer melancholischen Reflektion über zunehmende sinnlose Gewalttaten im weiten Texas zu Beginn der 80er Jahre beginnt auch der Film „No country for old men“. Zu diesem Monolog, gesprochen mit tiefer Melancholie von Tommy Lee Jones als Sheriff Ed Tom Bell, stimmen Aufnahmen einsamer Weite gut ein auf die Mischung aus modernem Western und Kriminalthriller. Die Arbeit als Gesetzeshüter ist in seiner Familie langjährige Tradition, doch für Bell wird dies der letzte Fall sein.
Szenenwechsel - wir sehen einen kalkuliert und kaltblütig agierenden Auftragskiller zunächst beim Ausbruch aus einer Polizeistation, kurz darauf beim Gespräch mit einem unbeteiligten Autofahrer, den er mit einem Druckluft-Gerät tötet. Wer diese ersten Minuten und ungeschönt brutalen Szenen überstanden hat, wird auch den Rest verdauen können. Javier Bardem, der mittlerweile überwiegend als Bösewicht gecastet wird, sei es als Gegenspieler von James Bond oder Jack Sparrow, spielt den Psychopathen Anton Chigurh faszinierend. Denn neben seiner Kaltblütigkeit und Hartnäckigkeit treibt ihn eine ganz eigene Logik und bizarre Vorstellung von Ehre an. Der nach außen so ruhig agierende Mann, der stets das Bolzenschussgerät samt Gasflasche bei sich trägt, entscheidet immer wieder spontan über Leben und Tod - und macht dies teilweise nur vom Ausgang eines Münzwurfs abhängig.
Als dritte Hauptfigur sehen wir den Kriegsveteranen Llewelyn Moss, der mit seiner Frau in bescheidenen Verhältnissen lebt. Josh Brolin spielt ihn entschlossen und rau, zugleich aber mit trockenem Humor und dem Herzen am rechten Fleck. Rein zufällig stößt er in der Wüste auf eine Szene mit mehreren Toten und Fahrzeugen nach einem schiefgegangenen Drogendeal zweier Gangs. Letztlich findet er dort einen Koffer mit zwei Millionen Dollar, die für ihn den Ausweg aus der Armut versprechen. Doch er kehrt in der Nacht noch einmal zurück und muss feststellen, dass mittlerweile weitere Leute nach den Drogen und vor allem dem Geld suchen.
Und damit beginnt ein hochspannendes Katz-und-Maus Spiel, das den zweistündigen Film bis zum Schluss trägt. Llewelyn bringt zunächst seine Frau in vermeintliche Sicherheit. Doch ein im Koffer versteckter und lange unentdeckter Peilsender lässt ihn nicht zur Ruhe kommen und sorgt für viele nervenaufreibende Szenen. Längst ist es nicht nur Chigurh, der hinter dem Koffer her ist, auch mexikanische Killer und ein speziell für brenzlige Situationen engagierter Profi, gespielt von Woody Harrelson, sind bald in die immer komplizierter werdende Jagd verwickelt.
Fast ganz ohne Musik, dafür mit klaren Bildern greift der Film immer wieder Motive wie Gewalt und Männlichkeit auf, mit denen sich die beiden Coen-Brüder schon so oft in ihren Filmen beschäftigt haben. Aus der literarischen Vorlage von Cormac McCarthy machen sie einen komplexen, aber dabei zutiefst melancholischen und auch bitteren Film ohne moralische Gewissheiten. Belohnt wurde dies mit zwei Golden Globes und vier Oscars, unter anderem für den Besten Film.
Die Charaktere bleiben dank stimmiger Details lange in Erinnerung - sei es das schlechte Gewissen Llewelyns, das ihn letztlich erst zum Verfolgten macht, die nur in Teilen durchschaubare Logik des empathielosen Chigurh oder die Resignation des Sheriffs Bell, dem es keine Ruhe lässt, dass er den tragischen Tod Unschuldiger trotz großer Bemühungen nicht verhindern kann. Und so schließt sich der Kreis, wenn er am Ende feststellt, dass der tiefe Süden kein Land zum Altwerden ist.
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