„Das Leben ist zu kurz für später“ – Rezension zu einem Gedanken-Experiment
Sendung: | Mittendrin Redaktion |
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AutorIn: | Franziska Korte |
Datum: | |
Dauer: | 03:38 Minuten bisher gehört: 139 |
Manuskript
Text
Wir alle kennen wohl den Spruch „Lebe jeden Tag so, als wäre es dein letzter“. Aber mal Hand aufs Herz, wer setzt dieses Motto wirklich konsequent um? Und was passiert eigentlich, wenn wir wirklich so leben, als hätten wir nur noch eine begrenzte Zeit übrig? Da kann man schon ins Grübeln kommen und sich fragen, was will ich eigentlich noch erleben, und gibt es vielleicht Menschen, die ich unbedingt nochmal kontaktieren will, vielleicht, um nochmal eine Aussprache zu wagen oder sich endlich wieder anzunähern? Und vor allem, mit wem würde ich diese begrenzte Zeit überhaupt verbringen wollen, und wie?
Genau diese Fragen hat sich auch Alexandra Reinwarth gestellt und ein Selbstexperiment gewagt. Die Umsetzung erscheint erst mal ein wenig drastisch: Die Autorin hat sich nämlich ihren eigenen Todestag gesetzt. Natürlich nicht wirklich, sondern nur als fiktive Notiz in ihrem Kopf: Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, einfach davon auszugehen, dass sie nur noch ein Jahr zu leben hat. Alles, was bis zu dieser Deadline passiert und wie sie ihr vermeintlich letztes Jahr nutzt, hat Alexandra Reinwarth in ihrem Buch „Das Leben ist zu kurz für später“ festgehalten.
Es ist ein Buch, bei dem bereits von der ersten Zeile an Bilder im Kopf entstehen. Es lebt davon, zwischen der persönlichen Geschichte und den weisen Ratschlägen der Autorin hin und her zu pendeln. Dabei beschreibt sie, wie sie die Unsicherheit beiseiteschiebt, Peinlichkeit ausradiert und Stolz zu überwinden versucht. Denn diese drei Emotionen sind laut Reinwarth leider viel zu oft der Grund dafür, dass wir uns selbst zurückhalten – und das, obwohl wir sicherlich glücklicher sein würden, wenn wir uns manche Dinge einfach mal trauen würden! Und genau das ist die Mission der Autorin in ihrem Experiment: Sich weniger darum kümmern, was die anderen von ihr erwarten, sondern viel mehr einfach das zu tun, was sie selbst wirklich will.
Das Resultat ihres Experiments lässt sich sehen: Zum ersten Mal hat Reinwarth, so berichtet sie, genauso gelebt, wie sie es sich wünscht und vorstellt. Eine zerbrochene Freundschaft hat sich als gar nicht so zerbrochen herausgestellt, ihr Pflichtgefühl hat sich in ein „das möchte ich einfach gerade nicht“-Gefühl umgewandelt und der nervige Kollege hat jetzt einfach mal zu hören bekommen, dass er sie in Ruhe lassen soll. Sie tut einfach alle Dinge, die sie sonst aus Unsicherheit, Stolz oder Peinlichkeit nicht getan hätte - und das ist laut der Autorin ein wahnsinnig gutes und befreiendes Gefühl. Alexandra Reinwarth hat diesen Selbstversuch ein knappes Jahr lang durchgezogen und nach ihrem fiktiven „Todestag“ erscheint für sie nun fast alles machbar: Diese positive Aussicht nimmt sie aus ihrem Selbstexperiment „sich einfach zu trauen“ also mit.
Wer in Reinwarths Erfahrungsbericht allerdings einen sachlichen Ratgeber sucht, der evidenzbasiert Methoden an die Hand gibt, das eigene Leben zu optimieren, ist hier eher an der falschen Adresse. Ihr Buch ist aber dafür für all diejenigen empfehlenswert, die an einer aufrichtig erzählten Geschichte über das Leben interessiert sind, die zum Nachdenken und in Teilen auch zum Nachmachen anregt. Denn selbst, wenn es nur ein paar Notizen oder Glaubenssätze sind, die inspirieren: Das Buch „Das Leben ist zu kurz für später“ von Alexandra Reinwarth zeigt, dass in dem bekannten Sprichwort „Lebe jeden Tag so, als wäre es dein letzter“ doch so einiges mehr stecken kann, als es auf den ersten Blick scheint – wenn man sich traut.
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