Die Zähmung des Wilden Westens - George Roy Hill’s “Butch Cassidy and the Sundance Kid” (1969)
Sendung: | Mittendrin Redaktion |
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AutorIn: | Steffen Hackbarth |
Datum: | |
Dauer: | 04:02 Minuten bisher gehört: 178 |
Manuskript
Wir hören das Rattern eines alten Kinoprojektors. In Sepia werden historisch anmutende Szenen eines Zugüberfalls der Gang von Butch Cassidy und the Sundance Kid an eine Leinwand geworfen. Es hebt eine melancholische einstimmige Klaviermusik an. Die Übeltaten sind gesäumt von den Worten: Das alles war einmal und ist nicht mehr. Die Gang wird überrascht und von eine Reitereinheit daran gehindert, den Raub erfolgreich zu beenden. Butch Cassidy und the Sundance Kid fliehen zu Pferde. Der Film im Film wird kreisförmig ausgeblendet. Ein Moment der Schwärze und Stille folgt. Und wieder begegnet uns das nostalgisierende Sepia und wird uns nicht verlassen, bis die beiden Titelhelden aus der Stadt reiten. In der Prärie und den Gebirgsketten Wyomings findet der Film schließlich zu seinen satten und teils knalligen Farben.
Wir beobachten ein mit Eisenstangen schwer gesichertes Fenster. Unser Blick war der von Butch Cassidy, gespielt von Paul Newman. Er betritt die gesicherte Bank, zu deren Schutzmaßnahmen das Fenster gehörte. Diese Bank wird er jedoch nicht ausräumen können - die Zeiten sind vorbei, in denen Verwegenheit und ein Revolver das große Geld versprachen. Und von dieser Zeit, die nicht mehr ist, erzählt George Roy Hill‘s Film „Butch Cassidy and the Sundance Kid“ von 1969. Dessen Farbgestaltung vermittelt uns, dass hier geschwärmt und in Erinnerungen geschwelgt wird. Und dieses Gefühl wird sehr ansteckend vermittelt. Ob auf persönlicher oder kultureller Ebene: Wie wir einer Person oder eines Ereignisses gedenken, sagt mehr über uns aus, als über die erinnerte Zeit. Damit greift der Film ironisierend einen der Urmythen des amerikanischen Selbstverständnisses auf: Der Wilde Westen und seine frontier. Die Grenze zwischen Zivilisation und Wildnis. Nicht immer unproblematisch wird dieser Mythos im Film behandelt. „Butch Cassidy and the Sundance Kid“ aber bringt uns mit seinem Witz immer wieder zum Lachen oder zumindest zum Schmunzeln. Es ist schon sehr schwer, sich dem Charme des von Paul Newman verkörperten Charakters zu entziehen. Und trotzdem und vielleicht auch gerade wegen des schwärmerischen Tons entwirft der Film eine Welt, in der für die beiden Banditen kein Platz mehr ist. Historisch sind die beiden Anführer und ihre Gang am Ende des 19. Jhs. anzusiedeln und sahen sich somit dem großen gesellschaftlichen Wandel gegenüber, den die Moderne mit sich brachte.
Im Film wird dieser Wandel auf mehreren Ebenen reflektiert. Zum einen in Form des Fahrrads. Dieses wird als das Fortbewegungsmittel der Zukunft angepriesen. Das Pferd sei mittlerweile totgeritten. Darüber hinaus haben die beiden Protagonisten Schwierigkeiten, sich an die Herausforderungen der neuen Welt anzupassen. Die alten Maschen ziehen nicht mehr - Banken sind nun gegen Überfälle gesichert. Bei ihrem letzten Zugüberfall werden sie von einem Spezialkommando überrascht. Und wer hätte gedacht, dass man in Bolivien für einen erfolgreichen Banküberfall Spanisch sprechen muss. Was dem Film aber wirklich besonders bemerkenswert gelingt, ist, auch mediengeschichtlich den Wandel zu reflektieren. Fotos, alte Projektoren, wie in der Eingangsszene, und das Zoetrop werden in die Machart des Filmes eingewoben. Aber entdecken Sie die fein komponierten Bilder am besten selbst, die der Kameramann Conrad Lee Hall unter anderem auch für den Film „American Beauty“ produzierte. Sowohl Entspannung als auch Entdeckerlust regt George Roy Hill‘s Film „Butch Cassidy and the Sundance Kid“ gleichermaßen an.
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