„I care a lot“ - Sozialkritik oder unterhaltsamer Schurkenfilm?
Sendung: | Mittendrin Redaktion |
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AutorIn: | Eva Neubert |
Datum: | |
Dauer: | 04:28 Minuten bisher gehört: 127 |
Manuskript
Text
Marla Grayson kümmert sich. Sehr viel. Denn das ist ihr Beruf. Als gerichtlich akkreditierte Betreuerin sorgt sie für alleinstehende Seniorinnen und Senioren, die auf Unterstützung angewiesen sind. So scheint es zumindest auf den ersten Blick. Doch Marla Grayson, gespielt von Rosamund Pike, hat in Massachusetts ein Unternehmen aufgebaut, mit dem sie auf fragwürdige Weise reiche, ältere Menschen in ihre Vormundschaft bringt. Davon profitieren nicht nur sie und ihre Geschäftspartnerin und Liebhaberin Fran, gespielt von Eiza González. Alicia Witt, in der Rolle der Ärztin Dr. Karen Amos, lässt sich von Marla Grayson dafür bezahlen, Patientinnen und Patienten als unmündig einzustufen. Der Leiter des Pflegeheims, in das Grayson die älteren Herrschaften bringen lässt, macht diese durch Medikamente gefügig. Im Anschluss verkauft Grayson deren Wertgegenstände, Möbel und Häuser. Damit bezahlt sie sich und ihr Unternehmen für ihre Leistungen, wie sie betont. Auch vor Gericht kann Grayson sich behaupten und zieht sich stets aus der Affäre, wenn Familienangehörige sie verklagen. Selbst Morddrohungen nimmt sie gelassen hin.
Eines Tages verspricht die Ärztin Amos den Jackpot: Jennifer Peterson, scheinbar ohne Familie und wohlhabend. Grayson überlegt nicht lange und lässt durch Amos ärztlich attestieren, dass Peterson, gespielt von Dianne Wiest, dement sei. Wie erwartet, wird Grayson gerichtlich und in Abwesenheit Petersons die Vormundschaft zugewiesen. Grayson überrascht Peterson sichtlich mit der Nachricht, bringt sie aber ohne zu zögern in das Pflegeheim. Alles scheint nach Plan zu laufen. Als Marla Grayson und Fran sich anschließend in Petersons Haus umsehen, entdecken sie einen Schlüssel zu einem Bankschließfach. Dort liegt neben einigen Wertgegenständen auch ein kleiner Beutel mit Diamanten, der nicht in der Inventarliste steht. Das lässt die Partnerinnen jedoch nicht zögerlich werden. Stattdessen freuen sie sich, dass ihnen nun endlich der erhoffte große Fang geglückt ist.
Doch Peterson kennt Personen, die alles dafür tun, sie wieder aus dem Pflegeheim zu holen. Allen voran der Gangster Roman Lunyow, gespielt von „Game of Thrones“-Star Peter Dinklage. Marla Grayson gibt sich jedoch nicht so einfach geschlagen. Als sie aus Peterson keine Informationen herauspressen kann, lässt sie kurzerhand ihre Medikamentendosis erhöhen. Auch Bestechungsversuche und Drohungen durch den Anwalt Dean Ericson beeindrucken Grayson nicht. Der Machtkampf spitzt sich immer weiter zu und bald schon geht es wortwörtlich um Leben und Tod...
Zu Beginn des Films wird vor allem Graysons skrupelloses Vorgehen dargestellt. Es wird ziemlich deutlich, dass es ihr und Fran vor allem um eins geht: Möglichst viel Geld und ein unbeschwerter Lebensstil. Die beiden erscheinen als moderne, selbstbewusste und emanzipierte Schurkinnen, die wissen, was sie wollen, und das im Zweifel auch auf Kosten anderer durchsetzen. Darunter leiden nicht nur die Seniorinnen und Senioren, sondern auch deren machtlose Familien. Rosamund Pike perfektioniert die stets makellose Figur der Marla Grayson mit einem wunderbar falschen Lächeln, das innerhalb von Sekunden ins Gegenteil umschlagen kann. Später geht es im Film zunehmend um die Machtspiele zwischen Grayson und dem Gangster Lunyow. Während Grayson und ihre Unterstützerinnen anfangs als gewiefte Bösewichte der Geschichte erscheinen, bekämpfen sich nun die beiden Bösewichte des Films gegenseitig. Marla Grayson gibt trotz des nicht gerade zimperlichen Gegners nicht auf, denn schließlich ist Peterson ihr Hauptgewinn. Roman Lunyow gewinnt noch ein paar Sympathiepunkte, weil er Peterson aus Graysons Fängen befreien will. Doch sein Mitgefühl für alle anderen Mensch hält sich sichtlich in Grenzen. Der Film verzichtet deutlich auf ein Wechselspiel zwischen Gut und Böse. So ist auch schon vorprogrammiert, dass das Publikum kein Happy End erwarten darf. Besonders der zweite Teil des Films beinhaltet Szenen, die eher nichts für schwache Nerven sind, zum Beispiel als Lunyow eine Unterstützerin Graysons töten lässt. Auch eine ausführlichere Kritik am Sozialsystem bleibt aus. Dennoch verspricht die schauspielerische Leistung der Hauptdarstellerinnen und Hauptdarsteller zwei unterhaltsame Stunden, verbunden mit einem zynischen Fingerzeig auf kapitalistisches Erfolgsstreben.
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