Premiere in der DT-Tiefgarage „Der Weg zurück“
| Sendung: | Mittendrin Redaktion |
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| AutorIn: | Tina Fibiger |
| Datum: | |
| Dauer: | 05:13 Minuten bisher gehört: 105 |
Manuskript
Text
Die drei verlebt anmutenden Gestalten, die zunächst noch an der kleinen Flammeninsel verweilen, werden schon bald zu Chronisten, die die Ereignisse reflektieren. Florian Eppinger, Gaby Dey und Paul Wenning begeben sich in den Kreis der Zuschauer und bilden dort einen Chor der Stimmen, der an einen Rat der Weisen erinnert. Der hat all das schon gedacht, gesehen und geahnt, was jetzt erzählt wird und wohin es führt. Ein Flugblatt am Eingang zur Tiefgarage wirbt für die zentrale regressive Botschaft, während die Zuschauer*innen mit Kopfhörern ausgestattet werden. Die Botschaft lautet: „Wissen ist Qual und Nichtwissen ist ein Segen.“ Gewarnt wird auch vor Gerüchten und Verdächtigungen, dass es Hungersnöte gäbe und Hinrichtungsprogramme und dass sich immer noch Mitglieder der Menschheit an die Reste eines zerstörerischen Fortschritts klammern, den ihnen der herrschende Regressionsrat mit allen Mitteln verweigert.
O-Ton 1, Einspieler, „Der Weg zurück“, 20 Sekunden
„Aber angesichts dessen, was gerade passiert und wo wir stehen und was wir empfinden, können wir nicht vorangehen ohne Wissen? Warum können wir nicht nichts wissen? Verlernen? Warum denn nicht?“
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Dennis Kellys Stück zeichnet die Geschichte einer Bewegung nach, die angesichts der globalen kriegerischen und ökologischen Verwerfungen legitime Fragen über Hightech-Arsenale und ihre Abhängigkeit stellt. Eine entfremdete Kommunikation im Miteinander wird angeprangert und eine Wissenschaftsgläubigkeit, die der Verschwendung von Ressourcen zuarbeitet. Doch es gibt dazu eine Parallelspur mit der der Autor diesen selbstgewählten Rückgang der Menschheit in eine künstliche Steinzeit am Beispiel einer Familie über fünf Generationen erkundet. Am Anfang dieser Generationenfolge steht ein Mann, der mit der Sinnfrage kämpft. Mit einem Bündel im Arm umkreist Gerd Zinck das Auditorium. Er erzählt die Geschichte eines glücklichen Paares wie ein märchenhaftes es war einmal ein modernes Paar, dass seinen Kinderwunsch mit kolossalem Aufwand in Vitro realisiert. Doch selbst die hochgerüstete Apparatemedizin kann den Tod der Mutter bei der Geburt des Kindes nicht verhindern.
O-Ton 2, Einspieler, „Der Weg zurück“, 23 Sekunden
„Das war der Moment. Das war der Moment meiner Erleuchtung. Die Erleuchtung, die alles gut gemacht hat. Und wenn ich Ihnen das jetzt erkläre, dann denken sie garantiert: ‚Ja und, ist das alles?‘ Garantiert. Aber ich sage Ihnen, das hat mich vom Abgrund zurückgebracht und es hat meinem Leben Bedeutung und Bestimmung gegeben.“
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Dieses herbeigesehnte Kind, deren Geburt die Mutter mit dem Leben bezahlte, ist Dawn. Ihr Vater hat die Bewegung ins Leben gerufen, die die moderne Apparate-Zivilisation überwinden will. Sie wird seinen Kampf fortführen. Zunächst mit friedlichen Mitteln kämpft sie für ein Leben ohne W-Lan, Strom, Elektromüll und Lebensmittelkonzerne. Doch bald werden Gen-Labore, Justizapparate, Bibliotheken auch mit Terror bekämpft, um alles Wissen zum Verstummen zu bringen. Dann sind nur noch einsilbige Worte zulässig und Buchstabenkürzel, an denen sich am Ende eine junge Frau in ihrem Fellanzug berauscht. Wie ein Wasserfall sprudeln die Silben aus Nelida Martinez, die von der verbotenen Neugier einer Freundin schwärmt:
O-Ton 3, Einspieler, „Der Weg zurück“, 29 Sekunden
„Ein Glas, mit dem man forscht, von einst. Es macht groß, echt groß, wenn man es an was hält. Dann schaut man durch das Glas, dann ist so groß, echt groß. Wie sie mir das zeigt, ich war… ich hat’ Angst, weil…. Das darf man nicht. Erst denke ich noch, es ist ein Spuk, wenn was erst so klein ist und dann gleich so groß. Da stimmt was nicht.“
Text
In der trostlos unwirtlichen Atmosphäre des DT-Tiefgarage, wo Wolldecken und Tee einen Rest von Wärme schaffen, inszeniert Antje Thoms ein Stück der sprechenden Gedankenbilder, in dem es vor allem um das Zuhören geht und das Schauspielteam seine Figuren auch als Resonanzkörper versteht, in die sie mit sparsamen Gesten hinein lauschen, manchmal auch für eine demonstrative Haltung, aber mehr für diese Momente des Nachsinnens und Reflektierens, wie sich die Deformation des Individuums unter regressiven Bedingungen mitteilbar machen lässt und was auf diesem Weg zurück noch alles verkümmert.
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