Sendung: Mittendrin Redaktion
AutorIn: Marco Mellinger
Datum:
Dauer: 03:09 Minuten bisher gehört: 179
Egal ob beim Imbiss, in der Dönerbude, im Restaurant oder in der Sterne-Küche: Manchmal fragen wir uns, wie das so hinter der Durchreiche aussieht, wo die Köche und Köchinnen ganz in weiß die Pfannen schwenken. Als Abendunterhaltung ist das jetzt in der Serie „The Bear“ zu sehen. Marco Mellinger hat sich die erste Staffel für Sie schon einmal angeschaut:

Manuskript

Text

Der junge Koch Carmy, gespielt von Jeremy Allen White, hat in den besten Restaurants der Welt gelernt und beherrscht die edle Küche wie kein Zweiter. So richtig anerkannt wird das von seiner Küchen-Crew aber nicht. Das liegt nicht daran, dass er nicht kann, sondern nicht darf. Die Story der achtteiligen Serie beginnt mit einem Paukenschlag. Carmys Bruder hat sich das Leben genommen und ihm ein herabgewirtschaftetes Sandwich-Restaurant hinterlassen. Um das Erbe seines Bruders zu retten, schmeißt Carmy alles hin und übernimmt den alten Schuppen. In der Küche arbeitet und vor allem schimpft er mit diversen Persönlichkeiten, die sich Angestellte nennen, aber eigentlich die Chefs spielen.

 

„The Bear“ ist die nächste Serie, die vom Publikum vielleicht innerhalb von ein paar Tagen ohne Pause begeistert geschaut wird, aber auf der nächsten Party kann wahrscheinlich trotzdem nicht viel darüber erzählen werden, weil der Plot nicht viel hergibt. Oh Wunder, Carmy kocht sich in die Herzen des Teams, die Kund*innen fangen an, die Bude einzurennen, die Schulden werden weniger. So weit so vorhersehbar. Und trotzdem schafft die Serie es, in der Entwicklung der Charaktere eine Vielschichtigkeit einzubauen, auf die andere Drehbuchschreiber*innen nur neidisch sein können. Die Zuschauer*innen werden in der Serie mitgenommen in die Welt der einfachen Küche. Regelmäßig wird in Rückblenden Carmys Zeit in der gehobenen Cuisine gezeigt. Und auch in seiner neuen Küche läuft alles hochprofessionell ab: Alle schneiden das Gemüse so schnell, dass empfindliche Zuschauerinnen und Zuschauer vielleicht wie bei einem Horrorfilm weggucken möchten, weil gleich vermutlich ein Finger ab sein könnte. Der Umgangston lässt freundlich gesagt sehr zu wünschen übrig und der eigene Stresspegel steigt während des Guckens vermutlich höher als Carmys, wenn er wieder herumschreit und sein Messer sucht.

 

Auf unfassbar hektisch geschnittene Szenen in der Küche folgen minutenlange Einstellungen der Stille. Alle stehen in der Pause im Hinterhof und rauchen eine Zigarette nach der anderen. Gesprochen wird nicht viel, doch wenn, dann wird es sehr persönlich, sehr intim. Und dabei hat Carmy ständig den gleichen Griff in seine Haare perfektioniert... Apropos in den Haaren haben: Kurz darauf fliegen wieder die Fetzen in der Küche.

 

Faszinierend an der Serie: Sie zeigt auf, dass die Restaurants und Buden in manchen Aspekten gar nicht so sehr von Sterneküchen unterscheiden. Es herrscht in der Küche der gleiche rauhe Umgangston, es werden die gleichen Grundzutaten genutzt und die gleichen Arbeitsschritte ausgeführt. Höchstens das Fleisch wurde auf zu großen Tellern hübsch drapiert und der rosa Pfeffer raffinierter eingesetzt. Das Wasser läuft einem trotzdem eher bei Carmys saftigen Sandwiches im Mund zusammen, die in Sauce schwimmen. So ehrt die Serie vielleicht ein Stück weit die einfachen Imbissbuden um die Ecke. Denn es muss nicht immer das besondere Lokal mit Dachterrasse sein, wenn man bei den besten Köch*innen der Welt essen möchte.

 

Mit Jeremy Allen White in der Hauptrolle steht da ein junger Schauspieler, der erst durch „Shameless“ so richtig in der Öffentlichkeit ankam, aber direkt Lust auf mehr machte. Vielleicht gerade deshalb wurde kurze Zeit nach dem Release der Serie bereits die 2. Staffel angekündigt.

Nichtsdestotrotz fehlt der Serie im Nachhinein etwas Handlung. Viele schöne, traurige und bewegende Nebenerzählungen werden angeschnitten, aber leider nicht genügend zu Ende erzählt. Ganz zu schweigen von der schmeichelhaften Handlung des Hauptstranges. Warum die Serie „The Bear“ heißt? Das wird im Laufe der Serie schon deutlich, doch es lässt viel Interpretationsspielraum zu. Also machen Sie sich doch lieber selbst mal ein Bild, es könnte sich lohnen. Aber halten Sie sich beim Abendessen zurück, spätestens nach Folge drei klingelt eh der Lieferdienst.