Göttinger Anwalt veröffentlicht Roman „Zeit der Schuldigen“ – Lesung am Samstag
Sendung: | Mittendrin Redaktion |
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AutorIn: | Jeanine Rudat |
Datum: | |
Dauer: | 03:16 Minuten bisher gehört: 285 |
Manuskript
Sie war erst 17, als sie im Herbst 1981 auf dem Nachhauseweg von einer Musikstunde – vermutlich als Anhalterin – von ihrem Mörder mitgenommen, vergewaltigt und dann mit einer Vielzahl von Messerstichen ermordet worden ist. Der Tod von Frederike von Möhlmann erschütterte ganz Deutschland, vor allem, da der Täter damals auf Grund fehlender Beweise freigesprochen wurde und Jahre später, nach wiederholtem Drängen von Frederikes Vater, erneut vor Gericht stand, da DNA-Spuren ihn zweifelsfrei als Täter überführt hatten. Doch das Bundesverfassungsgericht sprach ihn erneut frei, da es das Grundgesetz grundsätzlich verbiete, Täter:innen wegen derselben abgeurteilten Tat erneut zu verfolgen. Ihr Vater hat dies Gott sei Dank nicht mehr erleben müssen, er starb vor der Urteilsverkündung. Diesen wahren und höchst tragischen Fall hat sich der Göttinger Autor Markus Thiele für seinen ersten Roman im Bastei Lübbe Verlag herausgesucht. In seinem Roman ist Volker März dringend tatverdächtig, im November 1981 die 17-jährige Nina Markowski auf brutale Weise umgebracht zu haben. Die Spuren am Tatort belasteten den heute 72-Jährigen schwer, doch die Beweise reichten nicht für einen Schuldspruch. Verzweifelt kämpft Ninas Vater seither für Gerechtigkeit. Unterstützung erfährt er von Kriminalhauptkommissarin Anne Paulsen, die den Fall Jahrzehnte später wieder aufrollt. Angetrieben von einem sehr persönlichen Motiv schmiedet sie einen ungeheuerlichen Plan, um den damals Freigesprochenen doch noch zur Rechenschaft zu ziehen. Aber ist sie auch bereit, dafür selbst zur Täterin zu werden? Recht und Gerechtigkeit, Schuld und Sühne, Liebe und Tod – um nichts weniger geht es in „Zeit der Schuldigen“ von Markus Thiele. Der Göttinger Rechtsanwalt, der schon mit einigen Krimis auf sich aufmerksam gemacht hat, hat sich mit seinem neusten Werk, besonders was die Prozesshistorie angeht, eng an den wahren Kriminalfall gehalten. Auch das Alter der Toten und das Jahr der Ermordung stimmen mit Frederikes Fall überein. Auch hier lässt die Tat dem Vater keine Ruhe. Auch hier wird das Verbrechen noch einmal aufgerollt und auch hier klopft einem beim Lesen das Herz voller Trauer und Wut. So fiebert man auch sehr mit der jungen Polizistin Anne Paulsen mit, die alles aufs Spiel setzt, um für die Tote und ihre Angehörigen für Gerechtigkeit zu sorgen. Thiele beschreibt Anne im Interview mit seinem Verlag als klug, selbstbewusst, attraktiv und durchsetzungsstark – die klassische Heldin, der man gerne auf ihrem steinigen Weg folgt. Man merkt, dass bei „Zeit der Schuldigen“ ein Mensch schreibt, der vom Fach ist, der sich die Zeit für eine gute Recherche genommen und nicht einen aktuellen Fall mal eben schnell reißerisch aufbereitet hat. Als Anwalt, so Thiele, habe er Zugriff auf die üblichen Datenbanken mit Urteilen von Gerichten, Beschlüssen und Gesetzeshistorien. Aber auch Sitzungsprotokolle des Deutschen Bundestages sowie deren Beschlüsse habe er sich genau angeschaut. Zusammen mit seiner lockeren Schreibweise und den Ausflügen in die Vergangenheit, wo man mit Nina die Zeit vor ihrer Ermordung hautnah miterlebt und wie sehr sie ihrem damaligen älteren Freund Volker vertraut hat, kreiert er ein unterhaltsames Leseerlebnis, das einen von der ersten Seite an mitreißt. Ein empfehlenswerter True Crime-Roman, der mit einem nachdenklich machenden Nachwort und einer dortigen Einordnung der wahren Ereignisse in einem noch lange nachhallt.
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