„Love, Simon“ – Wie ein Outing das Leben ändert
Sendung: | Mittendrin Redaktion |
---|---|
AutorIn: | Nils Carlos Bünning |
Datum: | |
Dauer: | 04:00 Minuten bisher gehört: 141 |
Manuskript
Text
„Love, Simon“ ist ein fesselnder Coming-of-Age-Film aus dem Jahr 2018. Die Geschichte, die sich um Liebe, Freundschaft und der Suche nach der eigenen Identität dreht, basiert auf dem Roman „Simon vs. The Homo Sapiens Agenda“ von Becky Albertalli. Der 17-jährige Simon Spier hat alles, was ein Teenager braucht, um glücklich zu sein. Er lebt mit seinen Eltern und seiner kleinen Schwester in einem hübschen Haus in einem Vorort von Atlanta, Georgia, und hat coole Freunde, mit denen er die Creekwood Highschool besucht. Doch mit einer Sache hadert Simon, seitdem er 13 ist. Simon ist schwul. Nichtmal seine beste Freundin Leah, gespielt von Katherine Langford, weiß davon. Als sich eines Tages ein Schulkamerad in einem anonymen Blog als schwul outet, sieht er seine Chance, endlich jemanden zu haben, mit dem er sich austauschen und über Ängste und Probleme reden kann. Das erste Mal in seinem Leben fühlt er sich verstanden.
Wochenlang tauschen Simon und der sich nur „Blue“ nennende anonyme Schreiber per Email ihre intimsten Gefühle und Gedanken aus. Bis Simon eines Tages vergisst, sich an einem Schul-PC auszuloggen. Sein Klassenkamerad Martin sieht den kompletten Email-Verlauf und droht daraufhin, die Nachrichten öffentlich zu machen, wenn er ihn nicht mit Simons guter Freundin Abby verkuppelt. Inhaltlich macht „Love, Simon“ so Einiges richtig. Der Anfang zeigt Simon´s Start in den Schulalltag, die Kleinstadtidylle, in der er und seine Freunde aufgewachsen sind , und schafft von Beginn mit liebevoll gestalteten Sets und warmen Farben eine wohlige Atmosphäre. Im Allgemeinen beschreibt er auf eine besonders charmante Art und Weise die Ängste und Sorgen eines Coming-Outs. Für all diejenigen, die nicht mit solchen Problemen zu kämpfen haben, zeigt der Film auf eine umgekehrte Art, wie es sich für Heterosexuelle anfühlen könnte, sich vor ihren Eltern zu „outen“. Zu sehen sind Simons Freunde, die vor ihren Eltern ihre Heterosexualität offenbaren. Dass so etwas nicht sein muss, wird einem schnell klar. In solchen Momenten schafft der Film einen Anreiz, über gesellschaftliche Themen nachzudenken und diese zu hinterfragen. Denn was von vielen Heterosexuellen als "du brauchst davor keine Angst zu haben" und "alles halb so wild" abgestempelt wird, ist in Wahrheit oft ein schwerer Prozess, der mit Ängsten verbunden ist. Homosexualität ist noch lange nicht so toleriert, wie man es vielleicht denken mag. Im engeren Umfeld, bei jenen, die man schon lange kennt, fällt einem das Outing oft am schwersten - weshalb Simons Verhalten in jeder Sekunde erklärbar und nachvollziehbar ist. Natürlich macht er dabei auch einige Fehler. Zum Beispiel, als er quasi das Glück seiner Freunde gefährdet, nur um sich selbst zu schützen. Es spiegelt sehr gut wider, wie groß solche Ängste werden können. Deshalb stellt sich die Frage, wieso der Film das Coming-Out von Simon als so unproblematisch darstellt. Er hat zwar mit ein, zwei Problemen auf seinem Weg zu kämpfen, aber letztendlich läuft es so gut wie reibungslos. Ob das die Realität widerspiegelt, ist fragwürdig. Gerade weil Simon trotz seines stabilen Umfelds so sehr mit seinem Coming Out hadert, verleiht es dem Film eine besondere Tragik. Es ist nicht die Feigheit oder der falsche Stolz, weshalb er so lange mit dem Coming-Out wartet. Es sind die vielen kleinen Anmerkungen, die ihm das Gefühl geben, nicht „normal“ zu sein. Der Vater, der die neue Staffel des Bachelors als „oberschwul“ betitelt. Oder die selbstverständliche Erwartung seiner Freunde, dass er doch die selben Frauen heiß finden müsste wie sie. „Love, Simon“ zeigt sehr deutlich und trotzdem subtil, woher die Angst und die Unsicherheit der Betroffenen herrührt. Bis zum Schluss bleiben die Zuschauenden am Ball, wer sich hinter dem Pseudonym „Blue“ versteckt. Simon vermutet zwischendurch fast in jedem Mitschüler den Jungen gefunden zu haben, mit dem er sein intimstes Geheimnis teilen konnte. Erst ganz am Ende offenbart sich die Identität seines Leidensgenossen. Das macht die Geschichte bis in die letzte Minute spannend und lässt das Publikum mit einem hollywoodreifen Ende zurück. „Love, Simon“ ist ein Film, der in vielen Punkten zum Nachdenken anregt. Er greift typische Themen und Probleme aus dem Leben von Heranwachsenden auf: Freundschaft, Familie, Liebe und Sexualität. Diese werden mit einer gewissen Leichtigkeit vermittelt - was auch mal ganz schön ist.
Zur Verfügung gestellt vom StadtRadio Göttingen
Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für private Zwecke benutzt werden. Jede andere Verwendung (z.B. Mitteilung, Vortrag oder Aufführung in der Öffentlichkeit, Bearbeitung, Übersetzung) ist nur mit Zustimmung der Autorin bzw. des Autors zulässig. Die Verwendung für Rundfunkzwecke bedarf der Genehmigung des StadtRadio Göttingen.