Sendung: Mittendrin Redaktion
AutorIn: Sophie Bross
Datum:
Dauer: 03:15 Minuten bisher gehört: 116
Christopher Nolan ist bekannt für filmische Mittel, die den Zuschauer fordern und zum Nachdenken anregen. Eines seiner frühen Werke ist der Film „Memento“. Dieser Kriminalfilm beschäftigt sich mit dem Thema Erinnerungen und wie fragil sie sein können. Mehr darüber hören Sie von Sophie Bross.

Manuskript

Text

Der ehemalige Versicherungsagent Leonard Shelby, verkörpert von Guy Pearce, hat bei einem traumatischen Erlebnis sein Kurzzeitgedächtnis verloren. Eines Nachts brachen zwei Männer bei ihm ein und vergewaltigten und ermordeten seine Frau. Leonard erschoss einen der Eindringlinge und wurde vom Zweiten bewusstlos geschlagen. Durch seine Kopfverletzung bekam Leonard anterograde Amnesie. Seine letzte Erinnerung, die sein Gehirn noch abspeichern konnte, bleibt der Anblick seiner sterbenden Frau. Alles, was ab hier auch passiert, vergisst er spätestens nach 15 Minuten wieder. Um seinen Alltag zu organisieren, nimmt Leonard Polaroid-Fotos auf und macht sich Notizen. Selbst für die tägliche Körperpflege braucht er Notizzettel zur Erinnerung. Doch das, was von seinem Leben übrig geblieben ist, dient sowieso nur noch einem Zweck. Er will Rache für seine Frau. Die Polizei glaubt ihm nicht, dass es bei der Tat noch einen zweiten Täter gab und so zeichnet Leonard den Fall mit allen Informationen, die er finden kann Stück für Stück nach. Die wichtigsten Fakten, die er mühsam gesammelt hat, sind auf seinem Körper eintätowiert. Kaum zu übersehen steht sein einziges Ziel groß auf seinem Oberkörper:„Finde ihn und töte ihn!“

 

Die erste Szene des Films beginnt mit dem Ende der Geschichte. Das tragische Leben des Leonard Shelbys wird von seinem Ausgang her erzählt. Auf jede Szene, die die Handlung ein Stück weiter in die Vergangenheit aufrollt, folgt eine Szene in Schwarz-Weiß, die die Geschichte vorwärts erzählt.

Die Stadt, in der die Handlung spielt, ist nicht bekannt. Auch bleibt unklar, wann die Geschichte spielt und wie viel Zeit zu dem traumatischen Vorfall schon vergangen ist. Die Hilflosigkeit und Orientierungslosigkeit genauso wie der völlige Verlust von Zeitgefühl werden somit auf den Zuschauer übertragen. Er hangelt sich genauso wie der Protagonist an Informationsfragmenten voran. Doch der Vorteil, der einem bleibt, ist, sich noch an die vorangegangene Geschichte erinnern zu können und somit diese langsam zu rekonstruieren, um die Wahrheit zu sehen. Jede neue Szene lässt fast jede Person, der wir begegnen, in einem anderen Licht erscheinen als zu Beginn. Im Laufe des Films wird immer klarer, dass Leonards so akribisch gepflegtes System aus Fotos, Notizen und Tätowierungen sehr brüchig ist. Er stützt sein ganzes Weltverständnis und seine Handlungen auf Hilfsmittel, die viel zu leicht verfälscht oder falsch interpretiert werden können.

 

Christopher Nolan zeigt mit diesem düsteren Film, wie Erinnerungen und daraus entstehende Gewissheiten, uns trügen können, wenn sie auf falschen Voraussetzungen fußen und durch brüchige Informationen zustande kommen. Was bedeutet schon Erinnerung, wenn die Wahrnehmung durch bestimmte Einflüsse und die eigene Interpretation gestört ist und Menschen, die einem nahe stehen, doch diejenigen sind, die unsere Erinnerung manipulieren? Memento bleibt durch seine besondere Erzählweise von der ersten bis zur letzten Minute durchgehend hochspannend. Es ist kein Film, der nur so nebenher geschaut werden kann, denn wer nicht aufpasst, verliert sehr schnell den Faden.