Neue Ausstellung im Kunsthaus Göttingen: Jime Dine – Storm of Memory
Sendung: | Mittendrin Redaktion |
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AutorIn: | Paula Baierlein |
Datum: | |
Dauer: | 04:05 Minuten bisher gehört: 121 |
Manuskript
Text
„Storm of Memory“ so heißt die Ausstellung, die seit dem Wochenende Jim Dines Werke im Kunsthaus in Göttingen zeigt. Jim Dine ist gerade 88 Jahre alt geworden. „Storm of Memory“, “ Sturm der Erinnerung“ so der Ausstellungstitel. Ein in die Jahre gekommener Künstler, der sich über die Vergangenheit definiert. Das zumindest lässt der Ausstellungstitel vermuten.
Auf drei Etagen im Kunsthaus, im Pavillon im Garten und im angrenzenden Günther Grass Archiv sind Dines Werke ausgestellt. Im Erdgeschoss sind Gemälde zu sehen. „Secret drawings“ wie Dine sie nennt. Geheim deshalb, weil sie bisher noch in keiner Ausstellung gezeigt wurden. Insgesamt 45 Bilder sind es, entstanden in einem Zeitraum von sechs Jahren. Dine malt viel mit Zeichenkohle und weißer Farbe, dazwischen schimmern Erdtöne hervor. Dunkel wirken sie, seine Zeichnungen, fast ein bisschen düster, wie der Himmel kurz vor einem Sturm.
Im ersten Stock gibt es Druckgrafiken und Bücher zu sehen. Teilweise steht sogar die Platte, die für den Druck verwendet wurde, neben dem Werk selbst. Bücher deshalb, weil Bücher es waren, die Jim Dine vor mehr als 20 Jahren nach Göttingen führten. Seit 1998 arbeitet er eng mit Gerhard Steidl zusammen. Dabei entstanden: mehrere Veröffentlichungen im Steidl Verlag. Bücher, gefüllt mit Dines Werken.
Das Herzstück der Ausstellung steht im dritten Stock. Während klassische Musik aus einem Lautsprecher in der Ecke spielt, rezitiert Dine in einer Audioaufnahme ein Gedicht. In der Mitte des Raumes: 14 gigantische Gipsköpfe. Köpfe, so groß wie Menschen. Die Köpfe stehen auf metallenen Standfüßen auf Europaletten. Wirken fast ein bisschen unfertig und erinnern an Giacomettis Bronzefiguren. Der Gips wirkt noch nass, als wären die Oberflächen noch nicht glatt gestrichen. „Elysian Fields“ nennt Dine die Installation in Anlehnung an die griechische Mythologie. Dort ist das Elysion eine „Insel der Seeligen“, auf der unsterblich gemachte Held*innen entrückt von der Welt leben. Wer die Figuren sind, bleibt unklar, allerdings macht Dine Andeutungen, dass es sich bei den Figuren um verlorene Weggefährten aus vergangenen Zeiten handelt.
Storm of Memory. Erinnerungen also als ein wütender Sturm? Ein bisschen wirkt es tatsächlich so, auch wenn dieser Sturm sich in den anderen Stockwerken deutlich stürmischer entfaltet als in der Installation „Elysian Fields“. Diese ist eher ruhig und zurückhaltend, als stünde die Zeit still in dem fensterlosen Raum im dritten Stock.
Der Sturm hat vor allem woanders gewütet: Im Garten des Kunsthauses ist der Pavillon nun mit einer Installation Dines geöffnet. Grob geschnitzte Holzfiguren, die Wände drum herum beschrieben mit der schnell wiederzuerkennenden, krakeligen Handschrift Dines. Seine Handschrift prangt auch an den Wänden des Günther Grass-Archivs. In einem der hinteren Räume hat der zusammen mit dem Designer Theseus Chan weitere Wände bemalt.
Die gedeckten Farben, das viele Schwarz. Die Art und Weise, wie Dine seine krakeligen Großbuchstaben an die Wand malt. Es wirkt fast, als wäre Dine der Sturm selbst, und seine Kunst die Schneise der Verwüstung, die er hinter sich zurücklässt.
Es gibt viel zu sehen – und zu hören in „Jim Dine – Storm of Memory“. Jim Dines Kunst beantwortet keine Fragen und hält auch nicht her als „einfach schön anzuschauen“. Die krakelige Schrift, die schreienden Fratzen, sie werfen Fragen auf, nach dem Wie und nach dem Warum. Die Ausstellung schafft es leider nicht, hier breite Hintergrundinformationen bereit zu stellen, die über Text hinaus gehen. Antworten gibt es nämlich lediglich auf einigen wenigen Texttafeln. Die Texte hierfür hat allerdings Jim Dine selbst verfasst.
Zur Verfügung gestellt vom StadtRadio Göttingen
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