Sendung: Mittendrin Redaktion
AutorIn: Annika Quentin
Datum:
Dauer: 05:05 Minuten bisher gehört: 150
Jetzt, wo die dunkle und kalte Jahreszeit beginnt, verbringen wir alle wieder mehr Zeit vor dem Fernseher. Und was eignet sich da, passend zu Halloween nächste Woche, besser als etwas Gruseliges? Eine neue Serie, die Horror und Angst verspricht, ist „Der Untergang des Hauses Usher“. In der folgenden Rezension von Annika Quentin erfahren sie, ob die Serie ihrem Hype gerecht wird.

Manuskript

Text

„Der Untergang des Hauses Usher“ ist einigen von Ihnen sicher als Erzählung des amerikanischen Autoren Edgar Allen Poe bekannt. Dieses Jahr erschien eine gleichnamige Serie unter der Regie von Mike Flanagan, der bereits bei anderen Horrorklassikern wie „Das Spiel“ und „Spuk in Hill House“ Regie führte. Seine neue Serie handelt von Roderick Usher, dem CEO eines Pharmaunternehmens im Familienbesitz, das mit dem wirksamen, aber extrem süchtig machenden Opium Ligodone milliardenschwer geworden ist. Er trifft sich in dem Haus seiner Kindheit mit dem Staatsanwalt Auguste Dupin, der mehrere Prozesse gegen Ushers Pharmakonzern initiierte, aber immer verloren hat. Gemeinsam sitzen sie im verfallenden Wohnzimmer. Hier legt Usher ein unerwartetes Bekenntnis ab: Er sagt, er sei für die grausamen Tode all seiner sechs Kinder in den letzten zwei Wochen verantwortlich und möchte ein umfassendes Geständnis ablegen.

Roderick Usher erzählt Dupin daraufhin seine Lebensgeschichte. Er beginnt in seiner Kindheit. Zusammen mit seiner Schwester Madeleine wuchs er bei seiner alleinerziehenden Mutter auf. Sie arbeitete als Sekretärin für genau das Unternehmen, dessen CEO Roderick nun ist – Fortunato. Ihre Mutter wird, als die Kinder noch jung sind, sehr krank und stirbt. Da sie wussten, dass ihre Mutter keine Einbalsamierung durch einen Arzt wollte, vergraben die Kinder ihre Leiche im Garten. Doch ihre Mutter ersteht aus ihrem Grab auf und tötet ihren Chef, bevor sie selbst endgültig das Zeitliche segnet. In mehreren Rückblenden erfahren die Zuschauer*innen nun immer mehr aus Rodericks Vergangenheit. Es geht um den Beginn seiner Karriere bei Fortunato, sein Familienleben und insbesondere um die enge Beziehung zu seiner Schwester Madeleine. Am Silvesterabend 1979 treffen die beiden eine geheimnisvolle Frau namens Verna, die ihnen eine große Veränderung prophezeit. Im Anschluss erzählt Roderick Staatsanwalt Dupin, wieder in mehreren Rückblendungen, vom Tod aller seiner sechs Kinder. Dabei fällt auf: Immer, wenn eins seiner Kinder stirbt, ist Verna in der Nähe. Aber immer in verschiedenen Gestalten.

Die Struktur der Serie ist sehr simpel. Es gibt eine einleitende Folge, dann sechs Folgen in denen jeweils der Tod eines der Kinder behandelt wird, und schließlich eine Abschlussfolge. Dadurch, dass man bereits in der ersten Folge erfährt, dass alle Kinder sterben, kann durch diese Struktur nicht viel Spannung aufgebaut werden. Allerdings sind die Arten, auf die die Kinder sterben, sehr unerwartet und kreativ. Und sehr brutal. Einige der Szenen sind definitiv nichts für schwache Nerven. Mein größter Kritikpunkt an der Serie ist aber, dass dadurch, dass die Figuren alle nur kurz vorgestellt werden und dann sterben, eine tiefere Charakterisierung und Persönlichkeitsentwicklung nicht möglich ist. Obwohl die Serie nicht konstant spannend ist, bietet sie schon ein wachsendes Gefühl des Schreckens und eine unheilvolle Atmosphäre, die das Schlimmste vermuten lässt.

Obwohl der Name der Serie, der Folgen und der Charaktere an Poe erinnern, hat die Serie mit seiner Erzählung nicht mehr viel zu tun. Sie greift eher bekannte Motive aus verschiedenen Geschichten von Poe auf und interpretiert sie sehr frei. Die Todesursachen kommen denen in Poes Geschichten zum Beispiel sehr nah. So wird beispielsweise die Idee des „lebendig begraben Werdens“ aufgegriffen. Eine Folge erinnert außerdem stark an Poes bekannte Kurzgeschichte “Das verräterische Herz”. Für Poe-Fans gibt es also durchaus viel zu entdecken, auch wenn die Serie das Niveau der Erzählungen nicht annähernd erreichen kann.

Zusammenfassend würde ich die Serie nur sehr eingeschränkt empfehlen. Wenn Sie viel Wert auf eine komplexe Charakterentwicklung legen, ist die Serie eher nichts für Sie. Die Charaktere bleiben flach. Auch der Verlauf der Serie ist durch die erste Folge und die Strukturierung sehr vorhersehbar. Dennoch steigt die Spannung im Laufe der Serie zugegebenermaßen. Durch die vielen paranormalen Stellen können die Zuschauer*innen miträtseln, was echt und was nur Einbildung ist. Und die Todesursachen sind sehr originell und – wie man es von einer Horrorserie erwartet – detailliert und grausam dargestellt. Wenn Sie sich aber einfach mal wieder ohne viele Erwartungen gruseln und in die Welt des Wahnsinns und Horrors abdriften möchten, schauen Sie doch mal in die Serie rein.

Zum Schluss möchte ich dem Meister der Schauerliteratur selbst das Wort überlassen:

 

And the Raven, never flitting, still is sitting, still is sitting

 

On the pallid bust of Pallas just above my chamber door;

And his eyes have all the seeming of a demon’s that is dreaming,

And the lamp-light o’er him streaming throws his shadow on the floor;

And my soul from out that shadow that lies floating on the floor

Shall be lifted—nevermore!


- denn für mich persönlich ist Poe nur im Original gut.