The Sandman – Ein ungewöhnlicher Mythos eines Beinahe-Gottes mit vielen Ecken
Sendung: | Mittendrin Redaktion |
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AutorIn: | Zeynep Bozkurt |
Datum: | |
Dauer: | 03:53 Minuten bisher gehört: 189 |
Manuskript
Text
Neil Gaiman sagte einmal in einem Interview der britischen Tageszeitung The Guardian, er könne keine Superhelden erschaffen, dafür aber Götter. Seinen ersten großen Erfolg landete er auch schon Ende der 80er Jahre mit dem Fantasy-Comic „The Sandman“. Darin zeigt Gaiman, dass Götter auch fehlerhafte Charaktere sein können, die die Konsequenzen ihrer Entscheidungen tragen müssen. So erschuf er die Endlosen – The Endless. Sie sind mächtiger als Götter und für wichtige Elemente im menschlichen Leben verantwortlich. Hauptfigur in der Comicserie ist Morpheus, der Herr der Träume, der die Menschen Träume und Albträume sehen lässt. Da er dabei Sand verwendet, wird er auch The Sandman genannt.
Wenn es um die Serie geht, ergibt sich ein anderes Bild: Gaiman erschafft zusammen mit dem Autor David S. Goyer die Sage um Morpheus neu, indem er hier und da den Zeitgeist der 2020er Jahre einstreut. Abgesehen davon lassen sich aber auch eine treue Anpassung und Neuinterpretation der Charaktere sehen. Verantwortlich dafür dürfte Gaiman selbst sein, der immer das letzte Wort bei der Umsetzung hatte. Die erste Staffel der Serie mit elf Episoden hat die ersten zweieinhalb Comic-Sammelbände komplett adaptiert. The Sandman 2022 zeigt dabei eine sehr düstere Welt, manchmal sogar noch düsterer und grausamer als die Comic-Version selbst. Es lässt sich erkennen, dass die Bilder im Comicformat die Menschen stärker schockieren, wenn sie in der Serie stattfinden. Denn dann entfalten die blutrünstigen Szenen eine viel heftigere Wirkung auf die Zuschauer. Daneben sind unvergessliche schauspielerische Momente der Serien zu erwähnen. Zum Beispiel mit Charles Dance als Geisterbeschwörer Roderick Burgess und Gwendoline Christie als Lucifer, beides Schauspieler, die heutzutage aus „Game of Thrones“ bekannt sind. Nicht zuletzt ist David Thewlis als Rodericks Sohn John Dee erwähnenswert, insbesondere wegen seiner Leistung in der fünften Episode. Thewlis, der auch den Remus Lupin in „Harry Potter“ gespielt hat, trägt dabei quasi die komplette Folge auf seinen Schultern.
Die Zuschauer der Serie werden sich vielleicht über den Erzählstil der Serie wundern, der eher als Anthologie mit fast eigenständigen Geschichten und nicht als lineare Erzählung daherkommt. So sind einige Geschichten für fünf Episoden zu sehen, einige für eine einzige, andere wiederum für drei Folgen, und das Ganze quasi nebeneinander. Übertragen in eine Live-Action-Serie kann das für Zuschauer, die die Comics nicht gelesen haben, anfangs etwas verwirrend sein. Des Weiteren wirft die Serie den Zuschauer in die Welt des Geschehens, ohne eine konventionelle Einführung zu geben. Das mag für die Zuschauer, die die Comicserie noch nie gelesen haben, anfangs schwer zu verkraften sein.
In „The Sandman“ erleben die Zuschauer mehrere dunkle und tiefgründige Geschichten über die Menschheit in all ihren Formen. Besonders hervorzuheben sind die fünfte, sechste und die elfte Episode, wobei es sich bei der elften um eine Bonusfolge handelt. Auf der anderen Seite zeigt die Serie aber auch ihre Schwächen, wenn sie sich zu sehr auf Comic-Leser verlässt, insbesondere in den ersten Episoden. Es war schon immer eine kontroverse Diskussion, ob solche Adaptionen machbar sind, denn eine audiovisuelle Adaption einer Geschichte erfordert eine Anpassung, die der Erzählweise der Comics treu bleibt. Aber im Gegensatz zu Verfilmungen wie Watchmen von 2008, die hinter den Erwartungen zurückgeblieben sind, überzeugt die Serie „The Sandman“ mit ihrer ersten Staffel. Für die Comic-Buch-Fans: Das Outro der Episoden bietet noch ein kleines Schmankerl, denn es wurde vom Cover-Illustrator der Comicserie, Dave McKean, gezeichnet.
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