Sendung: Mittendrin Redaktion
AutorIn: Konni Fehse
Datum:
Dauer: 03:23 Minuten bisher gehört: 226
Das Theaterstück „Verwanzt“ wurde vom US-amerikanischen Dramatiker Tracy Letts geschrieben und wurde unter anderem in England und den USA aufgeführt. Auch in Deutschland wurde es schon in verschiedenen Städten gespielt. Im Januar 2023 hat sich Neuregisseur Justin Middeke dem Werk angenommen und es im Theater im OP auf die Bühne gebracht. Konni Fehse war für das Stadtradio Göttingen dort und hat es rezensiert.

Manuskript

Text

Es ist 20:15 im ThOP. Auf der Bühne ist ein spartanisch eingerichtetes Motelzimmer zu sehen. Es wird dunkel – das Stück beginnt. Die Protagonistin Agnes steht im Türrahmen und raucht. Plötzlich klingelt das Telefon, sie geht ran, doch niemand spricht mit ihr. Sie legt auf. Ist es vielleicht ihr Ex-Mann Goss, der frisch aus dem Knast raus ist? Wieder klingelt das Telefon. Doch Goss ist gar nicht ihr größtes Problem. Agnes arbeitet als Kellnerin, ihr Job ist eine Sackgasse, genauso wir ihr Leben. Nicht ohne Grund lebt sie in einem wenig wohnlichen Motelzimmer. Eine Durchgangsstation, nicht gemacht zum Ankommen, aber in ihrem Fall ist das Wegkommen und Weiterziehen auch schon lange außer Sicht. Kein Halt und kein Aufbruch, nur die Drogen bringen ein bisschen Bewegung ins Leben: Alkohol, Gras irgendein weißes Zeug für die Nase. Agnes nimmt was sie kriegen kann und auch bei ihren Bekanntschaften herrscht eine gewisse Beliebigkeit. Ihre Freundschaft zu Kollegin R.C. scheint eher zweckmäßig und dann taucht bei einer Party auch noch der etwas schräge Peter auf. Er sei kein Axtmörder versichert er – und darf bleiben. Peter ist anders als die meisten, vor allem anders als ihr Ex-Mann Goss. Peter ist sensibel. Und für eine kurze Zeit haben Agnes und er so etwas wie eine glückliche Zeit miteinander. Diese Zeit endet als Peter von einer Wanze gebissen wird. Das wäre für die meisten Menschen nicht schön, doch für Peter ist das richtig schlimm. Die Situation wird plötzlich sehr aufgeregt und damit kommt das Stück richtig in Fahrt.

Kurz danach ist die Pause – das Stück geht nämlich zwei Stunden. Nach der Pause geht es bei Agnes und Peter dann richtig los und auch R.C. und Goss kommen nochmal ins Spiel. Im zweiten Teil wird die Entwicklung, die wir kurz vor der Pause schon sehen konnten, ausgeführt. Mehr möchten wir hier jedoch nicht verraten.

Nun zu den Schauspieler*innen: Alle spielen ihre Rolle überzeugend und es lässt sich immer nachvollziehen, welche Emotionen oder Gedanken den Figuren gerade innewohnen. Die Darsteller*innen Lisa Tyroller – die Agnes spielt – und Jakob Jockers – der Peter spielt – gehen dabei voll in ihrer Rolle auf und verausgaben sich geradezu körperlich. Das kommt dem Stück zugute. Doch auch R.C. - gespielt von Diana Kahms –, Goss – gespielt von Andreas Hey – und Dr. Sweet – gespielt von Theo Ockert – machen einen guten Job.

Das unbehauste Motelzimmer, in dem das Kammerspiel sich entfaltet, ist gekonnt in Szene gesetzt. Mit Liebe zum Detail aber zugleich mit einem Sinn fürs Wesentliche.

Im gesamten Stück wird gezielt mit Klangeffekten gearbeitet, die untergründig immer wieder in die psychisch desolaten Innenwelten der Protagonisten hinüberziehen. Die Beleuchtung tut dabei ihr Übriges. Auch die Maske hatte mit Beginn des Stückes noch keinen Feierabend, denn sie wird noch für einige Überraschungen gebraucht.

Über den Gesamtverlauf der Inszenierung wird Spannung aufgebaut, die sich zum Ende hin furios entlädt. Der Regisseur Justin Middeke hat im StadtRadio-Interview die Richtung als „In-Your-Face-Theater“ beschrieben und das trifft es echt gut. Es ist irgendwie ein ein bisschen so, wie wenn sich wer wehtut: Man möchte eigentlich wegsehen, guckt aber trotzdem hin. Das spiegelt sich auch in den Aussagen anderer Theaterbesucher*innen, von denen einige überzeugt und andere sprachlos waren. Insgesamt lässt sich also sagen: „Verwanzt“ hat wahnsinnig gute Momente und lässt sich mit bestem Gewissen weiterempfehlen.