Vortrag über den Islam in der Deideroder Kirche
Sendung: | Mittendrin Redaktion |
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AutorIn: | Lasse Dreyer |
Datum: | |
Dauer: | 05:02 Minuten bisher gehört: 127 |
Manuskript
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Am vergangenen Montagabend versammelten sich rund 40 bis 50 interessierte Zuhörerinnen und Zuhörer in der kleinen Kirche von Deiderode, um den Islamwissenschaftler Prof. Dr. Jens Scheiner zu hören. Sein Vortrag „Islam verstehen“ beleuchtete wesentliche Elemente der muslimischen Religion, die vom Publikum aufmerksam aufgenommen wurden. Prof. Scheiner, der an der Universität Göttingen forscht und lehrt, hat an diesem Abend versucht in kurzer Zeit so ein riesiges Thema zu umreißen. Es begann mit der Entstehungsgeschichte bis hin zu den Auswüchsen des modernen Islams.
Einen ganz zentralen Punkt bildete das Verständnis von Gott im Islam: Anders als im Christentum, das die Dreieinigkeit kennt, verehren Muslime Gott als einzigen und unteilbaren Schöpfer. Diese Vorstellung führte zu einem regen Austausch, da einige der Zuhörer mehr über die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu ihrer eigenen Religion erfahren wollten. Ein weiterer wichtiger Aspekt war die Rolle von Jesus im Islam. Prof. Scheiner erklärte, dass Jesus im Islam zwar als bedeutender Prophet anerkannt wird, jedoch nicht als göttlich gilt. Für viele war es überraschend zu erfahren, wie hoch Jesus auch im Islam geschätzt wird und welche Stellung er in den religiösen Lehren einnimmt.
Neben diesen Themen sprach Prof. Scheiner über die Glaubensgrundsätze des Islams und den Gebetszyklus, der das spirituelle Leben der Gläubigen prägt. Dieses Ritual, das für viele der Anwesenden neu war, stellte er als eine tägliche Rückbesinnung und Verbindung zu Gott dar.
O-Ton 1, Jens Scheiner, 30 Sek.
„Genau, vielleicht ein Satz zum Glaubensbekenntnis, das ist viel kürzer, das heißt: ‚Es gibt keinen Gott außer Gott, und Mohammed ist sein Prophet.‘ Also es ist ein Zweizeiler und zielt nur auf Gott und Mohammed ab. Es ist Teil des Gebetszyklus, man betet immer wieder dieses Glaubensbekenntnis. Es ist ein wichtiges Element, um sich als Muslim zu definieren, dieses Glaubensbekenntnis zu sagen während des Gebets."
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Auch die Pilgerfahrt nach Mekka, die sogenannte Hadsch, stieß auf großes Interesse. Sie zählt zu den fünf Säulen des Islams und symbolisiert die Einheit der muslimischen Gemeinschaft. Prof. Scheiner beschrieb eindrucksvoll, welche spirituelle Bedeutung diese Reise für gläubige Muslime hat.
O-Ton 2, Jens Scheiner. 59 Sek.
„Ein wichtiger Ritus für einen Moslem ist die Pilgerfahrt nach Mekka und in die Umgebung von Mekka, die man einmal im Leben durchgeführt haben muss. Oft wird der Besuch auch mit dem Besuch der Prophetenmoschee in Medina kombiniert, hier sehen wir ein Foto der Propheten in Medina und unter der grünen Kuppel liegt das Grab des Propheten Mohammed, und der Besuch des Grabes ist sehr verdienstvoll. Die Pilgerfahrt ist eben nicht nur die Umrundung der Kaaba, wie man das auf dem Fernseher sieht, sondern ist eine dreitägiges Pilgerverfahren, was an mehrere Orte […] führt und auch wieder zurück. Was spannend ist, am Ende der Pilgerfahrt findet das wichtigste islamische Fest statt, das Hochfest würde man sagen, das große Opferfest an welchem Tiere – Schafe meistens – geschlachtet oder geschächtet werden genauer gesagt und das Fleisch gespendet wird an die Armen."
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Nicht zuletzt machte er auf die Vielfalt innerhalb des Islams aufmerksam, die weit über die bekannten Strömungen der Sunniten und Schiiten hinausgeht. Diese kulturelle und religiöse Diversität sei oft wenig bekannt, erweitere jedoch das Verständnis für den Islam enorm.
O-Ton 3, Jens Scheiner, 60 Sek.
„Mir ist ganz wichtig, dass wenn wir über den Islam sprechen, wir unzählige Gruppen und Konfessionen meinen und umfassen. Es gibt zahlreiche Herkunftstraditionen, religiöse Traditionen in verschiedenen Ländern, verschiedene muslimische Gruppen feiern verschiedene Feste. Aber die zwei Hauptfeste, das Opferfest nach der Pilgerfahrt in Mekka und das Fest des Fastenbrechens – in der Türkei heißt es Zuckerfest, das gleiche Fest nur mit anderem Namen. Muslimische Gruppen sind weltweit verbreitet und es entsteht eine komplexe Situation in Deutschland, Europa und den USA durch diese vielen Facetten. Nur ein differenzierter Blick auf die muslimischen Gruppen eröffnet uns einen Zugang mit den Leuten zu reden und umzugehen und zu gucken, dass alles so friedlich bleibt in unserem Land.“
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Die Resonanz auf den Vortrag war groß, und es entspann sich eine lebhafte Diskussion. Viele Fragen betrafen den Vergleich zwischen Islam und Christentum, wobei eine deutliche Neugier und Offenheit spürbar wurde – jedoch auch teils bereits bestehende Vorurteile. Prof. Scheiner begegnete diesen Fragen mit Geduld und Fachwissen und schuf so einen Raum für offenen Dialog. Der Vortrag wurde in Zusammenarbeit mit dem Heimat- und Kulturverein Deiderode veranstaltet und hat durch das ehrenamtliche Engagement von Prof. Scheiner dazu beigetragen, ein tieferes Verständnis für den Islam in der Region zu fördern.
Zur Verfügung gestellt vom StadtRadio Göttingen
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