Sendung: Mittendrin Redaktion
AutorIn: Jennifer Bullert
Datum:
Dauer: 03:55 Minuten bisher gehört: 234
Samstag kurz vor neun Uhr: Die Sonne strahlt, die Temperatur ist nach oben geklettert und am Göttinger Bahnhofsplatz herrscht Trubel. Nicht aber, weil besonders viele Menschen in den Osterurlaub starten wollten. Nachdem die niedersächsische NPD zu Beginn der vergangenen Woche eine Kundgebungstour angekündigt hat, die unter anderem Stationen in Göttingen und Hannover beinhaltete, hat das Göttinger Bündnis gegen Rechts zur Gegenkundgebung zusammengetrommelt. Und das mehr oder weniger im wahrsten Sinne des Wortes: Mit Trommlern, Bannern und Trillerpfeifen zeigten zeitweise bis zu 400 Menschen, dass die Universitätsstadt der NPD keine Plattform bieten will. Jennifer Bullert berichtet.

In der Spitze beteiligten sich am Samstag etwa 400 Menschen an der Gegenkundgebung. (Bild: Jennifer Bullert)

Manuskript

Text

Ein Polizeigroßaufgebot mit Beamten aus Göttingen, Hannover, Hildesheim und Northeim am Bahnhof, überall Absperrungen, die das Bahnhofsgebäude selbst in zwei Bereiche aufteilte und in der Spitze bis zu 400 Menschen, die sich gegen Rechts positionierten: So sah es am Samstagvormittag am Göttinger Bahnhof aus. Erst in der vergangenen Woche hatte die NPD eine Kundgebungstour quer durch Niedersachsen für den 20. April publik gemacht, dem Geburtstag von Adolf Hitler. Das Bündnis gegen Rechts mobilisierte umgehend einen Gegenprotest. Ursula Schwartmann übernahm dabei die Federführung:

 

O-Ton 1, Ursula Schwartmann, 35 Sekunden

Wir sind einmal aufgrund der Vernetzung und aufgrund der immer wieder jetzt auch noch stattfindenden Angriffe auf Zivilbevölkerung natürlich immer halbwach, sag ich mal. Sobald was passiert, werden wir informiert aufgrund auch der Vernetzung und dann sind wir auch da. Also es hat Überfälle in Gaststätten gegeben, Privatpersonen sind vor ihren Wohnungen bedroht worden. (…) Wir bleiben einfach dran und wir vertrauen auf unsere Bündnispartner, die aus allen politischen Bereichen kommen und wir stehen dann einfach hier.“

 

Text

Bereits um neun Uhr und damit eine Stunde vor der von der NPD angekündigten Kundgebung, hatte sich das Bündnis gegen Rechts auf dem Platz versammelt. Trommler stimmten auf den Protest ein, die ersten Banner lagen bereit. Kurz vor zehn Uhr strömten die etwa 60 bis 70 Demonstranten dann an die Absperrungen, die Banner mit Sprüchen wie „Widerstand gegen Rassismus und Faschismus immer und überall“ oder „Nie wieder Krieg“ hoch erhoben, damit sie auch gut lesbar waren. Die 15 Mitglieder der NPD trudelten ein, zogen sich jedoch in eine Ecke neben dem Bahnhofsgebäude zurück. Erst eine halbe Stunde später als geplant, begannen sie mit ihrer Kundgebung. Marschmusik ertönte und schwarz-weiß-rote Flaggen wurden gehisst. Die Gegendemonstranten, die zahlenmäßig immer weiter anwuchsen, antworteten prompt mit Trillerpfeifen und einige zeigten auch den Mittelfinger. Wie die Polizeiinspektion Göttingen mitteilt, musste sie während den Protesten nur einmal einschreiten. Demnach sei eine Gegendemonstrantin durch ein Absperrgitter geklettert, um zum Kundgebungsort der NPD zu gelangen. Die Beamten stellten daraufhin ihre Personalien fest und ließen sie dann wieder zurück zur Gegenkundgebung. Einsatzleiter Thomas Rath zog ein positives Fazit:

 

O-Ton 2, Thomas Rath, 14 Sekunden

Wir haben beide Veranstaltungen, wie es unser Auftrag ist, gewährleisten können. Es hat keine Straftaten gegeben, keine größeren Störungen. Und beide Gruppierungen, beide angemeldeten Veranstaltungen, konnten ihren Zweck, ihre Botschaft rüberbringen.“

 

Text

Geprüft wird allerdings noch der Brand eines Kabelschachts von einer Bahn-Signalanlage im Bereich Götzenbreite am Samstagvormittag. Der Brand könnte im Zusammenhang mit der Kundgebung der NPD stehen, da Teilnehmer per Bahn anreisten. Weil die Signalanlage ausfiel, wurde der Bahnverkehr beeinträchtigt. Der Schaden soll um die 10.000 Euro betragen. Das Staatsschutzkommissariat hat Ermittlungen wegen einer politisch motivierten Tat aufgenommen. Schwartmann hofft auch an anderer Stelle auf ein stärkeres Durchgreifen seitens der Polizei. Denn immer wieder seien Menschen, die sich gegen Rechts engagieren, Gefahren ausgesetzt:

 

O-Ton 3, Ursula Schwartmann, 31. Sekunden

Ich würde sagen, dass das eine massive Bedrohung auch ist. Wenn ich jetzt in den Schuhen meiner BündnispartnerInnen stehe, wo ein privater Neonazi vor der Haustür steht, alle Nachbarn das mitbekommen, Arbeitskollegen das mitbekommen, im Haus Kinder, Enkelkinder sind, das Aufruhr im Viertel auslöst und unsere Aktivisten nachher auch so einem Rechtfertigungszwang ausgeliefert werden, finde ich das fatal.“

 

Text

Schwartmann fordert mehr Auflagen für solche Kundgebungen, auch wenn der rechten Szene ebenfalls das Versammlungsrecht zustehe. Für die Zukunft will sie mit Aktionen vor dem Rathaus auf die Situation aufmerksam machen. Bislang gebe es aber noch keine konkreten Planungen.