Die Knast-Soli-Gruppe Göttingen unterstützt Gefangene in der JVA Rosdorf
Sendung: | Mittendrin Redaktion |
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AutorIn: | Mira Lou Braun |
Datum: | |
Dauer: | 05:07 Minuten bisher gehört: 515 |
Manuskript
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Von außen ist nicht viel mehr als eine 6,5 Meter hohe Mauer zu sehen. Die Justizvollzugsanstalt Rosdorf befindet sich am Stadtrand und damit nicht im Blickfeld der meisten Menschen aus Rosdorf und Göttingen. Derzeit leben in der JVA inklusive der zu ihr gehörenden Abteilungen in Duderstadt und Einbeck über 300 Menschen hinter Gittern. Durch die Mauern dringt wenig über das Leben der Menschen nach außen. Genau das zu ändern, hat sich eine Gruppe aus Göttingen zum Ziel gesetzt. Die Knast-Soli-Gruppe gibt es seit Ende des Jahres 2018. Wie sich die Gruppe zusammengefunden hat, berichtet Lucas Hagenbach, der selbst von Anfang an dabei war:
O-Ton 1, Lucas Hagenbach, 22 Sekunden
„Die Knast-Soli-Gruppe ist aus einer Veranstaltungsreihe in der OM10 heraus entstanden. Da ging es halt um generelle Kritik an Knästen und dem ganzen Strafsystem, das hinter denen steht. Da haben sich ein paar Leute zusammengefunden und sich überlegt, dass es doch gut wäre, Kontakt in den Knast aufzubauen, weil niemand von uns eigentlich wirklich wusste, wie die Situation der Leute da drinnen ist, obwohl die Leute ja quasi direkt vor unserer Nase eingeknastet sind.“
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Die frühere Justizvollzugsanstalt befand sich mitten in der Göttinger Innenstadt und war damit Teil des Stadtgeschehens. Das alte Gebäude am Waageplatz steht bis heute leer. Im Jahr 2007 wurde die neue JVA in Rosdorf eingeweiht und 2013 um ein neues Unterkunftshaus für Sicherheitsverwahrte erweitert. Die Knast-Soli-Gruppe setzt sich für die Rechte der Gefangenen in der Justizvollzugsanstalt ein. Was das konkret bedeutet, erzählt Hagenbach:
O-Ton 2, Lucas Hagenbach, 33 Sekunden
„Unsere erste Aktion war eine Kundgebung an Silvester 2018 vor der JVA. Das war super und wir haben ein Feuerwerk direkt auf der Wiese vorm Knast gemacht, Musik gespielt. Viele von den Gefangenen haben uns nachher geschrieben, dass es ihnen Kraft gegeben hat, dass da Leute zu ihnen kommen und sie nicht in Vergessenheit geraten. Seitdem sind wir halt in Briefkontakt mit vielen Gefangenen und unterstützen sie. Viele schreiben uns, wie die Situation dort drinnen so ist und in was für Struggles sie gerade so stecken. Und wir haben jetzt einen Blog eröffnet, wo die Leute Beiträge veröffentlichen können. Zusätzlich machen wir aber auch Veranstaltungen, um mehr Aufmerksamkeit für die Gefangenen und ihre Anliegen zu erzeugen.“
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In der JVA Rosdorf gibt es die Abteilungen der Strafhaft, der Untersuchungshaft, eine sozialtherapeutische Abteilung und die Sicherungsverwahrung. Die Gefangenen sind ausschließlich Männer, da es für Frauen extra Justizvollzugsanstalten gibt. Nach §38 des NJVollzG sind die Insassen zur Arbeit verpflichtet, wenn sie aufgrund ihres körperlichen Zustandes dazu in der Lage sind. Auf ihrer Internetseite wirbt die JVA Rosdorf Unternehmen an, die dann in der JVA Güter produzieren lassen. Laut der Knast-Soli-Gruppe kritisieren viele Gefangene den Arbeitszwang in der Einrichtung. Hagenbach von der Knast-Soli-Gruppe beschreibt, welche Beschwerdepunkte außerdem von Gefangenen an sie herangetragen werden:
O-Ton 3, Lucas Hagenbach, 23 Sekunden
„Die Menschen im Knast kritisieren ganz unterschiedliche Dinge zum Beispiel die hohen Telefongebühren des einzigen Anbieters Telio, massiv eingeschränkte Nutzung von Medien oder schlechte medizinische Versorgung. Ein aktueller Skandal ist zum Beispiel, dass einem Gefangenen von der JVA eine medizinische Versorgung verwehrt wird, die er nach einem externen fachärztlichen Gutachten dringend benötigt und die JVA schickt den Verletzen sogar trotz Nicht-Behandlung wieder zu Arbeit.“
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§56 des NJVollzG besagt, dass die Vollzugsbehörde für die Gesundheit der Gefangenen zu sorgen hat. Der betroffene Gefangene hatte sich bei einem Sportunfall im Dezember 2018 in der JVA eine Knieverletzung zugezogen. Einem von der JVA unabhängigen Arzt zufolge, erlitt er einen schweren Knorpelschaden, Mikrofrakturen sowie Knochenabsplitterungen im Kniegelenk. Trotz vorliegender ärztlicher Atteste werde dem Gefangenen laut einer Pressemitteilung der Gefangenengewerkschaft Jena und der Knast-Soli-Gruppe Göttingen eine angemessene medizinische Versorgung verwehrt und er werde aufgefordert, wieder zur Arbeit zu gehen. Harald Pilsl, stellvertretender Leiter der JVA, bestreitet die Vorwürfe:
O-Ton 4, Harald Pilsl, 22 Sekunden
„Grundsätzlich werden bei uns alle Gefangenen medizinisch versorgt. Wir haben einen Kooperationsparter, eine Arztpraxis, die hier täglich von Montag- bis Freitagvormittags Sprechstunden abhält. Gefangene werden versorgt, wenn sie denn Leiden haben. Die Anstaltsleitung hat das natürlich überprüft den Vorwurf und festgestellt, dass kein Gefangener zur Arbeit gezwungen wird, der nicht gesund ist.“
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Der Gefangene hat laut der Gefangenengewerkschaft Jena Anzeige erstattet und wehrt sich gegen die Behandlung durch die JVA. Dass das Interesse an der Arbeit der Knast-Soli-Gruppe groß ist zeigen die vielen Kontaktaufnahmen seitens der Gefangenen. Auch das Angebot der Veröffentlichung von eigenen Texten findet bei vielen Anklang, da ihnen sonst wenig Möglichkeiten bleiben, die Außenwelt über ihre Situationen zu informieren. Die Knast-Soli-Gruppe trifft sich jeden ersten Donnerstag im Monat um 19 Uhr in der Oberen-Masch-Straße 10 und freut sich über Interessierte. Hagenbach erzählt, welche Ideen hinter dem Aktivismus der Gruppe stehen.
O-Ton 5, Lucas Hagenbach, 28 Sekunden
„Wir wollen halt einen gesellschaftlichen Wandel, der darauf abzielt, dass niemand einfach weggesperrt und sich damit Menschen quasi entledigt wird. Damit ist in den meisten Fällen nachhaltig niemandem geholfen. Wir wollen halt, dass alle Menschen Verantwortung übernehmen und solidarisch dafür sorgen, dass wir in einer gewaltfreien Gesellschaft leben können in der einfach alle Menschen ein gutes Leben führen können. Und wir glauben, dass die meisten Gründe, für die Menschen im Knast landen, nicht darin liegen, dass die Menschen schlecht oder böse sind, sondern, dass die Gründe dafür in unserer Gesellschaft als Ganzes liegen. Und dass wir deshalb dort ansetzen müssen.“
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