Landesfürstin, Dichterfürsten, Klassik und Bauhaus - Nicht nur für Deutschlehrer lohnt sich ein Ausflug nach Weimar
Sendung: | Mittendrin Redaktion |
---|---|
AutorIn: | Steffen Hackbarth |
Datum: | |
Dauer: | 04:02 Minuten bisher gehört: 225 |
Manuskript
Text
Nicht ganz zweieinhalb Auto- oder Bahnstunden von Göttingen entfernt liegt diese pittoreske überschaubare Stadt von ca. 65.000 Einwohnern. Täglich kommen mindestens 1000 Touristen dazu nach Weimar, von einem Geheimtipp kann hier nicht die Rede sein. Aber was ist schon ein Geheimtipp als solcher wert, wenn man von ihm in Reiseführern liest und in Ausflugstipps hört. Definitiv nicht mehr geheim, aber immer noch ein Tipp – das Mysterium eines Geheimtipps müssen Sie auf Ihrer Reise selbst schaffen: Goethes und Schillers Wohnhäuser und der Wittumspalais der Herzogin Anna-Amalia von Sachsen-Weimar und Eisenach geben schon einmal einen guten Einblick in das Leben um 1800 für weltliche und Dichterfürstinnen – auch wenn es ein wenig den Charme von einem Disneyland für Deutschlehrer*innen versprüht. Wenn man sich aber mit den Personen ein wenig beschäftigt, kommt man auch langsam hinter die Fassade zu der Geschichte und den Geschichten, die Weimar umgeben und ausmachen. Anna Amalia hat nämlich den kulturellen Samen für die Weimarer Klassik mit ihrem Viergestirn gesät: Für die Erziehung ihres Sohnes Carl-August holte sie den damals gern gelesenen Christoph Martin Wieland dorthin. Und daher möchte ich an dieser Stelle diesen Ausflugstipp nicht nur geographisch verstanden wissen. Das anfänglich benannte Geheimnis liegt natürlich in den Texten der Weimarer Protagonisten, namentlich Wieland, Herder, Goethe und Schiller. Und mit denen können Sie nach Weimar reisen, ohne die Beschwerlichkeiten einer Reise. Ein Göttinger Antiquariat oder eine Buchhandlung ihrer Wahl ist der einzig zu überbrückende Weg. Dass Wieland als Prinzenerzieher eine gute Wahl ist, zeigt sein lustvoller Text Musarion. Wenn Sie sich mal wieder mit der Verwandtschaft in ideologische Debatten verrennen, kann dieser Text einen versöhnenden Perspektivwechsel ermöglichen. Nun aber genug des kulturellen Hochgenusses, Sie brauchen sicherlich wie ich ein wenig frische Luft, es geht hinaus in den Ilmpark. In seiner englischen Gestaltung suggeriert er Weite und setzt das Unfertige romantisch in Szene. Hier ist auch Goethes Gartenhaus angesiedelt – angeblich in direkter Blickrichtung zu Charlotte von Steins Wohnhaus 400m Luftlinie entfernt. Der Stein des guten Glücks, den Goethe hat errichten lassen, zeugt auch heute noch von ihrer innigen Beziehung. Vor allem lädt der Park aber zum Flanieren und Verschnaufen ein. Eben ein Idealer Ort, um ein Picknick zu machen. Aber auch hier verbirgt das Schöne und Lustvolle das Tragische und umgekehrt. So verarbeitet Goethe in seiner Ballade „Der Fischer“ den Suizid eines jungen Mädchens im Ilmpark: „Lockt dich dein eigen Angesicht nicht her in e’wgen Tau?“ Das Nadelöhr an der Treppe zur Ilm soll heute noch an das tragische Ableben der 17-jährigen Christiane von Laßberg erinnern. Morbide geht es auch in der Fürstengruft zu, wo auch die Särge von Goethe und Schiller zur Verehrung bereitstehen – nur wurden, zumindest was Schiller anbelangt, jahrelang die Gebeine eines anderen Mannes verehrt – was aber auch nichts Neues ist – denn alle Reliquien des Heiligen Kreuzes, an dem Christus verstarb, zusammengerechnet kommen auch auf mehr als ein Kreuz. Es ist eben heilig, was heilig gesprochen wurde.
Kommen wir aber nochmal auf Goethe und die Frauen: Zu diesem Thema gibt es eigentlich immer eine Aufführung im Theater im Gewölbe am Markt – im Nationaltheater herrschen nämlich bis zum 21. August noch Theaterferien. Allgemein ist das Themenjahr der Sprache ausgerufen mit vielen verschiedenen Veranstaltungen. Für all diejenigen, denen die Weimarer Klassik zu viel Prunk, die Anna-Amalia-Bibliothek mit ihrem weißen Rokokosaal zu gleißend ist, gibt es ja auch noch das Bauhaus. 1919 von Walter Gropius gegründet stand hier das Design immer ganz im Dienste der Funktion. Davon können Sie sich im eigenen Museum überzeugen.
Zur Verfügung gestellt vom StadtRadio Göttingen
Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für private Zwecke benutzt werden. Jede andere Verwendung (z.B. Mitteilung, Vortrag oder Aufführung in der Öffentlichkeit, Bearbeitung, Übersetzung) ist nur mit Zustimmung der Autorin bzw. des Autors zulässig. Die Verwendung für Rundfunkzwecke bedarf der Genehmigung des StadtRadio Göttingen.