Sendung: Mittendrin Redaktion
AutorIn: Regina Seibel
Datum:
Dauer: 05:18 Minuten bisher gehört: 627
Musiker Elton John, Model Cara Delevigne, DJ Felix Jaehn und Oscar-Preisträgerin Jodie Foster sind nur vier Beispiele prominenter homo- oder bisexueller Personen. Auch wenn die genannten Beispiele von vielen Menschen geschätzt werden, leiden queere Personen regelmäßig unter Diskriminierung und Anfeindung. Als queer werden jene Personen bezeichnet, die nicht heterosexuell lieben, nicht monogam leben oder nicht in das herkömmliche "Frau-Mann-Schema" passen. Am vergangenen Freitag fand auf dem Gänseliesel ein Aktionstag queerer Gruppen statt. Anlass war der Internationale Tag gegen Homo-, Bi-, Inter*- und Trans*phobie. Regina Seibel war für das StadtRadio vor Ort.
Dieser Beitrag wird Ihnen präsentiert von: Das Backhaus

Stephanie Leitz, Hannah Engelmann, Simone Kamin und Alexander Altevoigt (v.l.n.r.) (Bild: Regina Seibel)

Manuskript

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Ein Quiz-Drehrad, Riesen-Jenga und das Selbsterstellen von Buttons. Der Aktionstag am vergangenen Freitag hatte vieles zu bieten. Ziel war es, Interessierte aufzuklären und Fragen im Bezug auf queere Lebensweisen zu beantworten. Vorurteile seien nach wie vor Alltag im Leben queerer Personen, wie Alexander Altevoigt ,Teammitglied bei SCHLAU Göttingen, erklärt. SCHLAU Göttingen gibt Workshops in Schulen oder anderen Gruppen, um schon früh für das Thema zu sensibilisieren. Die Vorurteile zeigten sich sehr unterschiedlich:

 

O-Ton 1, Alexander Altevoigt, 19 Sekunden

"Beispielsweise: ‘Oh nein, dann findest du niemals einen Job, dann kriegst du auf jeden Fall AIDS’ Also solche Ideen spuken da noch in den Köpfen rum. Aber auch kleinere Sachen, wenn ich jetzt meinen Freund vom Bahnhof abhole und ihm einen Kuss gebe, da kommt es dann vor, dass Menschen sagen, dass Homosexuelle ihre Sexualität nicht nach außen hin tragen sollen und so plakativ damit vor sich herlaufen sollen.”

 

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Die Akzeptanz der eigenen Lebensweise hänge auch davon ab, wer genau man sei. Transsexuelle Personen erleben eine andere Akzeptanz als homo- oder bisexuelle erzählt Stephanie Leitz, hauptamtliche Mitarbeiterin im Queeren Zentrum Göttingen. Auch herrscht oft Unsicherheit, was genau mit Trans- oder Intersexualität gemeint ist. Transsexuell nennt man Personen, die sich nicht mit dem Geschlecht, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde, identifizieren. Als Intersexuell gilt jemand, der nach der Geburt keinem Geschlecht eindeutig zugewiesen werden konnte. So können zum Beispiel innere und/oder äußere Geschlechtsorgane beider Geschlechter vorhanden sein. All diese queeren Personen stehen vor der Herausforderung eines Outings. Weshalb das überhaupt nötig ist, erzählt Simone Kamin, Geschäftsführerin der AIDS-Hilfe Göttingen:

 

O-Ton 2, Simone Kamin, 31 Sekunden

"Ein Outing ist ja immer nur dann nötig, weil eine Lebensweise als Abweichung empfunden wird, weil eben die ständig gültigen Hetero-Normen immer noch nicht vom Tisch sind. Im Grunde genommen spielt sich alles Leben vor der Folie ab, dass ich entweder eine Frau oder ein Mann bin und das eindeutig und ein Leben lang und unveränderbar. Und wenn ich davon abweiche, dann befinde ich mich in der Bewertung einer Abweichung und bin zwangsläufig mit den Fragen von Coming-Out ja oder nein befasst und das ständig im Alltag.“

 

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Die Akzeptanz queerer Lebensweisen sei nicht selbstverständlich, wie Kamin berichtet. Bei jedem neuen Umfeld, wie einem neuen Arbeitsplatz oder bei neuen Freunden, stelle sich die Frage nach einem Outing. Auch wenn die Reaktionen insgesamt sehr unterschiedlich ausfallen: Viele Eltern unterstützten ihre Kinder, wenn diese sich outen, erzählt Hannah Engelmann, hauptamtliche Koordinatorin in der Trans*beratung Göttingen. Wenn Unsicherheiten bestehen, gibt es spezielle Beratungsstellen, an die sich gewendet werden kann. Auch sonst hat sich einiges gebessert: Seit 2017 ist die gleichgeschlechtliche Ehe in Deutschland erlaubt. Auch trauen sich immer mehr Menschen, öffentlich zu ihrer nicht-heterosexuellen Identität zu stehen. Trotzdem sei die Gleichstellung noch nicht vollständig, wie Stephanie Leitz erzählt. So gelten zum Beispiel nicht beide Frauen einer lesbischen Beziehung automatisch als Mütter eines Kindes, auch wenn dieses gemeinsam aufgezogen wird. Die Erzeugerin des Kindes ist nämlich nur eine der beiden Frauen. Zu derzeitigen Entwicklungen in Deutschland äußert sich Stephanie Leitz:

 

O-Ton 3, Stephanie Leitz, 32 Sekunden

"In unserer Gesellschaft hat sich in den letzten Jahren bereits viel zum positiven bewegt. Das merkt man bei uns im Alltag an vielen Ecken und Enden. Also wenn Jugendliche zu uns kommen und sagen:‘Outing spielt für uns gar keine Rolle mehr’, weil sie in einer Umgebung leben, die sie akzeptiert. Oder wenn wir miterleben, was es für langjährige homosexuelle Paare bedeutet, endlich heiraten zu können. Aber mit jedem Fortschritt gibt es natürlich auch immer gegenläufige Bewegungen. Und das heißt, dass sich an anderen Stellen Leute wiederum radikalisieren."


 

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Körperliche Gewalt findet nach wie vor statt. 382 Fälle von queer-feindlichen Angriffen wurden für das Jahr 2018 verzeichnet. Das sind 18 Prozent mehr als im Vorjahr. Transsexuelle Personen stehen außerdem vor einem weiteren Problem. Das Transexuellen-Gesetz regelt die Änderung von Vornamen und der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen. Diese Änderungen sind jedoch langwierig und kostenintensiv: Es müssen bestimmte Gutachten erstellt werden. Nun wird die notwendige Erneuerung angestrebt, wie Hannah Engelmann erzählt:

 

O-Ton 4, Hannah Engelmann, 28 Sekunden

"Ganz viele Pfeiler sind schon rausgenommen, weil sie als verfassungswidrig erkannt worden sind. Inzwischen wird auch eine Reform diskutiert, die allerdings einiges ein wenig besser und anderes deutlich schlechter macht und letztlich keine grundlegende Veränderung darstellt. Und wir müssten hin zu einer Selbstbestimmung, hin zu einer würdevollen Entscheidung, wie ich angesprochen werden möchte, mit welchen Geschlecht ich registriert sein möchte, ob ich einen Geschlechtseintrag registriert haben möchte oder nicht. Und das können Menschen ganz gut für sich selbst entscheiden.”

 

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Die Arbeit in der Sexual-Ambulanz im Universitätsklinikum Göttingen soll eingestellt werden, obwohl diese eine wichtige Anlaufstelle für transsexuelle Personen in Göttingen und der Region ist. Für den Erhalt dieser Ambulanz gibt es im Internet eine Petition.