Sendung: Mittendrin Redaktion
AutorIn: Mira Lou Braun
Datum:
Dauer: 04:48 Minuten bisher gehört: 353
Ein Meer aus Regenbogenfahnen, Glitzer und Queers: Zum ersten Mal hat am vergangenen Samstag in Göttingen eine quietschbunte Pride Parade zum Christopher Street Day stattgefunden. Hunderte Menschen tummelten sich in der Innenstadt und beklatschten den Demonstrationszug, um ihre Unterstützung auszudrücken. Mira Lou Braun war auf dem ersten Göttinger CSD unterwegs.

Mit Bengalos in Regenbogenfarben grüßte das Hausprojekt Rote Straße die vorbeiziehende Demonstration. (Bild: Mira Lou Braun)

Manuskript

Text
Der Christopher Street Day ist ein Tag, an dem lesbische, schwule, bisexuelle, Trans*idente, intergeschlechtliche und andere queere Menschen auf die Straße gehen und für eine Gesellschaft kämpfen, in der alle Menschen akzeptiert werden. Der Name „Christopher Street Day“ erinnert an den Aufstand von Homosexuellen, Trans*Personen und Dragqueens in der New Yorker Christopher Street gegen Polizeiwillkür 1969. Warum es dieses Jahr zum ersten Mal einen CSD in Göttingen gab, erklärt Mitorganisatorin Eli Wiedenbruch:

 

O-Ton 1, Eli Wiedenbruch, 25 Sekunden

Ich glaube, es gibt dieses Jahr zum ersten Mal einen CSD, weil sich vorher einfach nie genug coole Menschen gefunden haben, die Bock hatten, das zu organisieren. Und ich glaube, es hat auch viel mit Fridays for Future zu tun, weil es vorher nicht so viele, vor allem auch junge Menschen gab, die die Kompetenzen hatten, eine Demonstration oder überhaupt so ein Event, wie halt den CSD zu organisieren. Und jetzt wo sozusagen durch Fridays for Future viele junge Menschen eingelernt wurden, haben sie halt gesagt: Ja wir haben auch Bock was zum CSD im Pride- Month zu machen und so ist das hier entstanden.“

 

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Um die Pride-Parade zu organisieren, haben sich viele queere Gruppen und Verbände aus Göttingen in einem Aktionsbündnis zusammengefunden. Über 1.500 Menschen folgten ihrem Aufruf, liefen bei einer Demonstration durch die Innenstadt mit und feierten gemeinsam beim anschließenden Straßenfest den Auftakt des ersten Göttinger CSD. Stefanie Leitz, hauptamtliche Mitarbeiterin des Queeren Zentrums, betont die gesellschaftliche Notwendigkeit, bei der Pride-Parade teilzunehmen.

 

O-Ton 2, Stefanie Leitz, 28 Sekunden

Ich finde es wichtig, heute auf die Straße zu gehen, weil ich mit verschiedenen Leuten im Vorfeld gesprochen habe, die sich nicht trauen, in Göttingen als queere Person auf die Straße zu gehen. Die also glauben, dass es für sie negative Konsequenzen haben wird oder die diese negativen Konsequenzen bereits erfahren haben, als queere Person geoutet zu sein. Und genau deswegen ist es wichtig, präsent zu sein, Gesicht zu zeigen und zwar jeder von uns. Dass wir halt auch wissen, die Personen um uns herum können queer sein.“

 

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Das CSD-Aktionsbündnis stellt drei klare Forderungen an die Politik. Jeder Mensch soll das eigene Geschlecht selbst bestimmen und benennen dürfen; alle Menschen haben ein Recht auf Akzeptanz und Chancengleichheit in allen Bereichen des täglichen Lebens. Und außerdem soll Artikel 3 des Grundgesetzes um den Begriff der sexuellen Orientierung erweitert werden. Leitz erklärt, was es mit dieser Forderung auf sich hat:

 

O-Ton 3, Stefanie Leitz, 31 Sekunden

Die Idee von Artikel 3 des Grundgesetzes ist es, dass kein Mensch aufgrund von irgendwelchen Eigenschaften diskriminiert werden darf. Warum fordern wir also, dass explizit die sexuelle Identität mit aufgegriffen werden soll? Das sollte ja eigentlich selbstverständlich sein. Unsere Geschichte und unser Grundgesetz ist jetzt bereits dieses Jahr 70 Jahre alt, hat aber gezeigt, dass man selbst mit diesem Grundgesetz über viele Jahre hinweg Menschen aufgrund von Homosexualität diskriminieren kann. Deswegen fordern wir eine explizite Nennung dieser Identitätsfacette.“

 

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Aber auch jenseits der gesetzlichen Ebene gibt es noch viel für die Anerkennung aller Geschlechter und ihrer Liebe zu tun. Verbale und körperliche Angriffe auf queere Menschen sind nach wie vor keine Einzelfälle und richten bei den betroffenen Personen und in der Gesellschaft an sich schweren Schaden an. SCHLAU ist eine Gruppe, die an Schulen Aufklärungsarbeit leistet, um präventiv gegen derartige Angriffe vorzugehen. Alexander Altevoigt ist bei SCHLAU aktiv und berichtet über einen homofeindlichen Angriff:
 

O-Ton 4, Alexander Altevoigt, 30 Sekunden

Am 17. Mai haben wir von SCHLAU auch einen Info- und Aktionsstand gehabt und da hat sich dann eine Person dem Stand genähert und eine Teamkollegin ist dann ins Gespräch gekommen mit der Person. Und dann hat sich das Gespräch irgendwann so entwickelt, dass die Person meinte „Lesben werden eh vergast, Ende der Fahnenstange“. Ich weiß nicht ob man jetzt sagen kann, dass der Vorfall exemplarisch dafür steht, dass dauernd solche verbalen Übergriffe stattfinden, aber es gibt sie auf jeden Fall und auch eben oftmals in so Alltagssituationen, wo vielleicht erst im Nachhinein klar wird, das war jetzt total die übergriffige Handlung und eine Beleidigung.“

 

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Alle Menschen sind gefragt, wenn es um die gesellschaftliche Anerkennung aller Sexualitäten und Identitäten geht. Denn bei diesem Anliegen geht es um nicht weniger, als den Wunsch, dass alle in einer freien und solidarischen Gesellschaft leben können, in der allen mit Respekt begegnet und niemand diskriminiert und ausgeschlossen wird. Beim Christopher Street Day sind auch all jene eingeladen, die sich nicht oder noch nicht als queer verorten. Pauline Giesbert aus dem Organisationskreis des CSD berichtet, warum es so wichtig ist, dass alle Menschen als Verbündete mit auf die Straße gehen:

 

O-Ton 5, Pauline Giesbert, 25 Sekunden

Was wichtig ist, ist dass Menschen, die nicht queer sind, also zum Beispiel straight oder Cis-gender, dass sie auch mit uns auf die Straße gehen, denn es ist total wichtig, dass die supporten, dass die zeigen: „Wir sind da, wir sind solidarisch, wir akzeptieren euch.“ Und auf dem CSD sind nie nur queere Menschen, da sind immer auch ganz viele Freund*innen, Eltern, Kolleg*innen und alle Menschen, die dabei sind und Unterstützung zeigen wollen. Und das sind Menschen, die sind auf jeden Fall wichtig, weil sie den queeren Menschen zeigen, dass sie willkommen sind und dass sie akzeptiert sind.“