Komplimente machen: Die Kunst anderen ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern
Sendung: | Mittendrin Redaktion |
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AutorIn: | Jennifer Bullert |
Datum: | |
Dauer: | 04:59 Minuten bisher gehört: 237 |
Manuskript
O-Ton 1, Einspieler, 12 Sekunden
„Du siehst ja richtig gut aus!“ - „Eine Eins in Mathe? Das hast du ja toll gemacht. Da bin ich aber echt erstaunt!“ - „Die Lasagne, die du da gekocht hast – ich muss sagen, da hast du dir mal wirklich Mühe gegeben!“
Text
Wer solche „Komplimente“ hört, sollte wohl schleunigst Reißaus nehmen. Zwar erscheinen die Worte erst einmal wohlwollend, doch der geringschätzige Unterton bleibt einem wohl kaum verborgen. Dabei ist es gar nicht so schwer, Komplimente zu machen und aufrichtige Wertschätzung auszudrücken. Nicht nur der Ton spielt dabei eine Rolle, auch die richtige Formulierung entscheidet darüber, wie ein Kompliment beim Gegenüber ankommt. Gisela Ruffer hat sich eingehend mit dem Thema beschäftigt. Sie führt zusammen mit ihrem Mann Herbert eine Praxis in Landshut. Beide sind Heilpraktiker für Psychotherapie und organisieren regelmäßig einen Komplimente-Kurs. Sie bestätigt, dass es vor allem auch eine Portion Mut braucht, um mit freundlichen Worten das Aussehen oder Verhalten anderer Menschen zu kommentieren:
O-Ton 2, Gisela Ruffer, 33 Sekunden
„Man braucht erst einmal selbst einen gewissen Selbstwert, dass man sagt: ‚Okay, das krieg ich hin.‘ Und wenn der andere sagt ‚Ach so ein Quatsch!‘, dann kann ich das wegstecken. Dann einem anderen ein Kompliment zu machen und der sagt dann: ‚Was willst du eigentlich von mir?‘ Weil das kann ja natürlich auch bei anderen hervorrufen: ‚Irgendwas will der. Jetzt macht der ein Kompliment und als nächstes will der von mir 50 Euro haben oder irgendwie so etwas.‘ Ja, also das kann natürlich auch diese Wirkung haben, wenn man es vorschnell macht, im falschen Moment macht, das geht, wenn man es nicht ganz ehrlich meint. Also ein Kompliment muss ehrlich sein.“
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Ohne Timing und Aufrichtigkeit geht es also nicht. Auch die Beziehung zur Person, die adressiert wird, spielt eine Rolle. Hier lautet die Faustformel: Je enger die Beziehung, desto ausgeschmückter darf das Kompliment sein. Dabei kann eine Verfahrenstechnik als Leitfaden dienen. Schritt eins: Sich auf Grundlage seiner Beobachtungen und Erfahrungen mit der anderen Person überlegen, was am Gegenüber positiv hervorgehoben werden könnte. Danach geht es darum, die Eigenschaft, die dahinter steckt, zu identifizieren – zum Beispiel wenn es ein Kompliment rund um das liebste Heißgetränk vieler Menschen sein soll:
O-Ton 3, Gisela Ruffer, 37 Sekunden
„‘Du kannst den Kaffee ganz toll kochen und bist dadurch jemand, der mit sehr viel Sorgfalt, mit sehr viel Liebe für andere da etwas kreiert.‘ Im nächsten Schritt geht es dann darum, dass ich nicht nur sage, was er toll macht, welche Eigenschaft dahinter [steckt], sondern auch noch: ‚Was macht das denn mit mir, wenn jemand so ist?‘ (…) Dass ich dann auch sagen kann: ‚Weißt du was? Und das gibt mir ein Gefühl, wirklich von dir besonders bedacht zu werden, geliebt zu werden. Ich hab das Gefühl, ich bin dann richtig zuhause, weil du dich so um mich kümmerst, dich so um mich sorgst.‘“
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In Verknüpfung mit einem Bild als Stilmittel könnte ein Kompliment dann erst so richtig seine Wirkung entfalten, führt Ruffer aus. Sie rät dem Adressaten auch dazu, keine falsche Bescheidenheit an den Tag zu legen oder zu relativieren, wenn jemand eine wertschätzende Bemerkung äußert, sondern sich einfach dafür zu bedanken. Und um einmal einen kurzen Ausflug in die Etymologie des Wortes zu unternehmen: Kompliment stammt laut Duden vom lateinischen Wort ‚complere‘, was ‚ausfüllen‘ bedeutet. Eine wertschätzende Bemerkung soll nämlich genau das: Dem anderen zeigen, dass er gesehen wird und ihn so mit guten Worten erfüllen.
O-Ton 4, Gisela Ruffer, 33 Sekunden
„Das ist wie gutes Essen. Das ist wie ein guter Handschlag. Also jemandem etwas Gutes tun, bestätigt ja den anderen. Und was können wir dem anderen noch Besseres tun, als ihm zu sagen: ‚Hey, du bist gut und du bist richtig so wie du bist.‘ Das macht uns alle innerlich satt und gibt uns oft für viele Stunden über den Tag ein gutes Gefühl und nicht immer so dieses: ‚Ich muss irgendwie genügen. Ich muss mich anstrengen. Ich muss alles Mögliche machen.‘ Sondern: Da kommt jemand und sagt dir etwas Gutes und auf einmal hast du das Gefühl: ‚Wow! Ich kann ganz anders durch den Tag gehen.‘“
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Komplimente sind Balsam für die Seele. Und ähnlich wie Geschenke, die ja zumeist auch aufgehoben oder genutzt werden, lässt sich das auch bei den netten Worten der Mitmenschen bewerkstelligen. Dazu kann sich jeder beispielsweise eine Art kleine Schatzkiste anlegen. Komplimente können dann schriftlich festgehalten und in die Kiste oder Schachtel hineingelegt werden. Und geht es einem einmal schlecht, muntert der Blick in diese Komplimente-Schatztruhe wieder auf. Schließlich poliert es dann nicht nur die Laune, sondern auf Dauer auch das Selbstwertgefühl, wenn sich dort dann mit der Zeit Zettelchen finden wie beispielsweise:
O-Ton 5, Einspieler, 39 Sekunden
„Wow! Du haust mich um! Hat dir eigentlich schon mal jemand gesagt, dass dir das Kleid richtig gut steht? Das bringt deine blauen Augen wirklich schön zum Leuchten.“ - „Wie genial! Eine Eins in Mathe! Ich freu mich so für dich! Du hast da aber auch mächtig rangeklotzt und bis spät in die Nacht noch Formeln gelernt und gerechnet. Und dein Einsatz hat sich jetzt richtig ausgezahlt. Ich bin so stolz auf dich!“ - „Das ist die beste Lasagne, die ich je gegessen habe. Wirklich viel besser als im Italienurlaub. Ja, das herzhafte Aroma der Tomaten, der knusprige Käse… Ach weißt du was: An dir ist wirklich eine Köchin verloren gegangen. Also zu einem Nachschlag sag ich bestimmt nicht nein.“
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