Wie setzt man(n) sich mit Gleichberechtigung auseinander - Ein Kommentar
Sendung: | Mittendrin Redaktion Kommentar |
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AutorIn: | Andreas Goos |
Datum: |
Manuskript
„Hey Mädels, ich erkläre Euch gern, wie man Löcher in die Wand bohrt, kein Problem, oder nee, wißt Ihr was? Ich bohr‘ gleich mal lieber schnell selber! Mach ich gern. Die Maschine ist ja ziemlich schwer. Und die war auch echt teuer“.
OK, das ist etwas übertrieben, das bin ich nicht, denke ich. Aber kann ich deswegen aufhören, über mein Verhalten gegenüber Frauen nachzudenken?
Ich behandle Frauen immer besonders rücksichtsvoll, aufmerksam, zuvorkommend. Warum ich das mache? Tja… Weil sie das schwache Geschlecht sind? Weil auf sie besonders Rücksicht genommen werden muß? Also nehme ich Frauen im Grunde nicht für voll, wenn ich mich so verhalte.
Vor dem Gesetz sind alle gleich, aber im Alltag sieht es noch ganz anders aus. Es sind oft keine großen Sachen, um die es geht. Unterbreche ich Frauen öfter als Männer? Lasse ich mir auch mal was von Frauen erklären? Ich kann ja auch mal zugeben, wenn ich von was keine Ahnung habe.
Nehme ich Frauen ernst, die sich über Ungleichbehandlung beschweren? Fühle ich mich angegriffen, weil sie etwas einfordern, auf das sie ein Recht haben?
Woher kommt diese reflexhafte Abwehr gegen Gleichberechtigung? Ich verliere doch nichts, ja, ausser einer Vormachtstellung. Aber beim Nachdenken über mein Verhalten wird mein Selbstverständnis zu sehr in Frage gestellt. Es ist gar nicht so einfach, mir das einzugestehen.
Ich höre immer wieder, dass ich privilegiert bin. Mann, weiß, deutsch, cis, hetero, da kommen mir die Privilegien schon zu den Ohren raus und das, ohne dass ich dafür was getan hätte! Fühlt sich gar nicht so an meistens. Über mich wird ja auch nie geredet, nur über die, die anders sind als die Norm. Das ist Teil der Selbstverständlichkeit und dagegen anzukommen, fordert mich ganz schön heraus.
Wie soll ich z.B. reagieren, wenn Kolleg*innen oder Partygäste sexistische Kommentare oder Witze machen? Lache ich mit oder schaff ich doch ein „Find ich nicht lustig“? Ich bin dann der Spaßverderber. Aber vielleicht denken andere Anwesende ja ähnlich und äußern sich dann auch.
Ich kann meine Privilegien auch nutzen, um andere zu unterstützen, die sie nicht haben.
Es kostet mich Überwindung, meine Gewohnheiten, mein Verhalten zu ändern, auch wenn ich weiß, dass ich damit andere unterstütze.
Aber ich arbeite dran.
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