Sendung: Mittendrin Redaktion
AutorIn: Nikita Makarov
Datum:
Dauer: 05:23 Minuten bisher gehört: 349
Das Bundesprogramm „Sprach-Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist“ wurde 2016 ins Leben gerufen und fördert auch im Landkreis Göttingen über 60 Kitas. Am 2. September trafen sich die „Sprach-Kitas“, um die erreichten Meilensteine gemeinsam zu feiern. Doch die Freude über den Erfolg des Programms wandelte sich schnell um in ein Bedauern und Trauer. Das Programm „Sprach-Kitas“ soll nämlich durch den Bund eingestellt werden. Nikita Makarov war beim Meilensteinfest vor Ort und berichtet über die Gefühlslage in den Kitas.
Dieser Beitrag wird Ihnen präsentiert von: Das Backhaus

Manuskript

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Eigentlich war gute Laune angesagt am 2. September in einer Göttinger Skaterhalle. Hier sollte schließlich das Meilensteinfest der Sprach-Kitas des Landkreises und der Stadt Göttingen stattfinden. Doch, was ist eine Sprach-Kita eigentlich? Das Programm hatte der Bund 2016 ins Leben gerufen, um Kinder bei der Entwicklung ihrer Sprachfähigkeit zu unterstützen. Wie sich das Programm konkret im Kita-Alltag auswirkt und wie sich eine Sprach-Kita von einer Nicht-Sprach-Kita unterscheidet , erklärt uns Christina Sadafizadeh, Fachkraft für die Sprach-Kita Petri-Haus in Grone.

 

O-Ton 1, Christina Sadafizadeh, 23 Sekunden

In aller erster Linie durch die zusätzliche Fachkraft. Also, es wurden Stunden freigemacht und Extra-Kräfte eingestellt. Wir wurden parallel geschult, weil das sich natürlich zu dem unterscheidet, was wir früher einmal in der Ausbildung gelernt haben, was manchmal schon auch etwas entfernt ist. Das ist der allergrößte Unterschied, dass zusätzliche Stunden und zeitliche Ressourcen da sind und eben die fachliche Qualifizierung.“

 

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Welche weiteren Dinge besonders wichtig für Sprach-Kitas sind, vertieft Monika Hülskemper, zusätzliche Fachberaterin für Sprach-Kitas im Landkreis Göttingen

 

O-Ton 2, Monika Hülskemper, 37 Sekunden

Das Entscheidende ist wirklich ganz genau mit den Sprachfrachkräften,mit den Leitungen und dann mit ihren eigenen Teams diese ganz, ganz kleinen, feinen Alltagssituationen noch mal anzuschauen. Merken die Kinder, dass sie, wenn sie mit ihrem Familienrucksack, davon sprechen wir, wenn sie damit in die Kita kommen, dass sie damit willkommen sind? Das spüren Kinder ganz genau. Zu diesen ganz, ganz feinen kleinen Situationen sage ich meiner Kollegin, wie schön es ist, wenn sie mit dem Kind so schön ins Gespräch kommt.“

 

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Der Nutzen der zusätzlichen Fachkraft für Sprache ist laut den Mitarbeiterinnen der Kitas eindeutig. Trotzdem möchte der Bund die Förderung für das Programm „Sprach-Kitas“ beenden. Anders übrigens als es letztes Jahr von der Ampel-Koalition angekündigt wurde. So gibt es zu dem Vorhaben des Bundes reichlich Kritik. Der Bundestagsabgeordnete aus Göttingen, Fritz Güntzler von der CDU, prangert an, der Bund würde an der falschen Stelle sparen. Stichwort sparen: Zu den Gründen, wieso die Sprach-Kitas nicht fortgeführt werden sollen, äußerte sich Michael Trunk, Leitung Fachdienst Frühhilfe und Prävention im Landkreis Göttingen Fachbereich Jugend, wie folgt.

 

O-Ton 3, Michael Trunk, 28 Sekunden

Nach außen hin kommuniziert ist das, wie bei vielen solcher Bundesprogrammen, dass betont wird: Der Bund stößt Entwicklungen an, auch gerade im Bildungsbereich, was eben zur Kultiushochheit der Länder in erster Linie gehört, und zieht sich dann zu gegebener Zeit zurück. Und natürlich werden da finanzielle Gründe eine Rolle spielen. Nicht nur durch Corona, jetzt auch durch die Kriegseinwirkung in der Ukraine, ist natürlich die finanzielle Lage des Bundes herausfordernd, möchte man sagen."

 

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Das Ende der Förderung der Sprach Kitas hätte gravierende Folgen für den Betrieb der über 60 teilnehmenden Kitas in der Stadt und im Landkreis Göttingen. Michael Trunk teilt dazu mit, dass alleine im Landkreis Göttingen, ohne Einbindung der Stadt, Mehrkosten von etwa 800.000 Euro entstehen würden, würde die Förderung eingestellt werden. Diese Summe kann der Landkreis von alleine kaum stemmen. Der Bund möchte die Nachfolge der Sprach-Kitas über das „Gute-Kita-Gesetz II“ regeln. Eine Erhöhung des Förderbudgets soll allerdings nicht vorgesehen sein. Was den Kitas fehlen würde, sollte es die „Sprach-Kitas“ nicht weiter geben, erläuterte Eva Kruse, zusätzliche Fachkraft für die Sprach-Kita Jona-Kita Göttingen.

 

O-Ton 4, Eva Kruse, 21 Sekunden

Konkret im Alltag würde auf jeden Fall die Begleitung der Fachkräfte fehlen, die Begleitung der Kinder und Familien. Gerade die, die nicht mit Deutsch als Erstsprache in die Kita kommen, die anders begleitet werden müssen, denen wir viele Sachen noch einmal erklären, mit denen wir zusammen arbeiten, die wir an die Hand nehmen und ja ganz viel Herzlichkeit in den Kita-Start legen.“

 

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Gegen das Ende der Sprach-Kitas wehren sich auch andere pädagogische Kräfte deutschlandweit. Hierzu wurde das Bündnis „Sprach-Kitas retten“ gegründet, das eine Petition ins Leben gerufen hat. Diese Petition hat stand 8. September schon über 46.000 Unterstützer. Benötigt werden 50.000, um im Bundestag angehört zu werden. Zum Abschluss gibt Marion Lüter, Leiterin des Petri-Hauses in Grone, ein sehr deutliches Statement:

 

O-Ton 5, Marion Lüter, 18 Sekunden

Heruntergebrochen,ganz unpolitisch muss man dazu einfach sagen: Es gibt keinen guten Grund, das nicht weiterzuführen. Denn wir sparen heute an der Zukunft von morgen, an den Fachkräften von morgen. Wir sparen am Politiker von morgen und es gibt keinen guten Grund es [Das Programm] einzustellen.“

 

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Wenn die Petition die Abgeordneten im Bundestag umstimmen kann, dann könnten wohl auch in Zukunft in dieser Göttinger Skaterhalle weitere Meilensteine der Sprach-Kitas gefeiert werden. Vielleicht sind dann auch die Politiker von morgen anwesend.