Sendung: Mittendrin Redaktion
AutorIn: Benita Heukamp
Datum:
Dauer: 04:54 Minuten bisher gehört: 257
Der ÖPNV steckt in einer Krise, die auch an den Göttinger Verkehrsbetrieben nicht spurlos vorüberzieht. Bis 2030 wird hier rund die Hälfte der Beschäftigten in den Ruhestand gehen und schon jetzt mangelt es an Busfahrer*innen. Personalmangel, schlechte Arbeitsbedingungen und niedrige Löhne bilden einen Teufelskreis, der sich bisher nicht durchbrechen ließ – zumindest nicht alleine. Aus diesem Grund hat sich das Bündnis „Wir fahren zusammen“ aus Klimaaktivist*innen und Beschäftigten der GöVB geformt, das gemeinsam die Missstände im ÖPNV zu beseitigen sucht. Bei einer Stadtversammlung Anfang Februar konnten sich Interessierte über die Anliegen der Bündnispartner informieren und Erfahrungsberichten aus dem Alltag von Busfahrer*innen lauschen. Unsere Reporterin Benita Heukamp war vor Ort und hat mit den Beteiligten gesprochen.
Dieser Beitrag wird Ihnen präsentiert von: Das Backhaus

Während der Veranstaltung wurde durch die Teilnehmenden deutlich, dass Löhne und Arbeitsbedingungen bei den GöVB noch verbesserungswürdig seien (Bild: Ezra Rudolph)

Im Alten Rathaus kamen die Gewerkschaft ver.di, Busfahrerinnen und Busfahrer der GöVB und Klimaaktivistinnen und -aktivisten zusammen, um über den ÖPNV zu diskutieren (Bild: Ezra Rudolph)

Manuskript

Text

Gute Arbeitsbedingungen und faire Löhne sind aktuell noch keine Realität für die Beschäftigten der Göttinger Verkehrsbetriebe. Das soll sich jetzt aber ändern. Zu diesem Zweck hat sich ein Bündnis aus Klimaaktivist*innen und Beschäftigten der GöVB gebildet. Das Motto: „Wir fahren zusammen“. Die Idee hinter der Zusammenarbeit ist simpel: Klimaschutz und gute Arbeitsbedingungen im ÖPNV hängen unmittelbar zusammen. Gemeinsam möchte das Bündnis unter anderem für bessere Arbeitsbedingungen und mehr Lohn für die Beschäftigten der GöVB einstehen sowie für einen Ausbau des Streckennetzes und bezahlbare Tickets. Das Göttinger Bündnis hat sich im Oktober des vergangenen Jahres geformt. Mit dabei war auch Elia Mula, einer der Klimaaktivist*innen.

 

O-Ton 1, Elia Mula, 33 Sekunden

Der Anfang sah dann konkret in Göttingen hier so aus, dass wir uns einmal kurz zusammengesetzt haben, dann einen Kreis an Leuten zusammengetrommelt haben, von dem wir dachten: Vielleicht haben die ja Lust, an so einem Projekt mitzubauen. Und das hat sich recht schnell entwickelt. Hat auch insofern eine Dynamik angenommen, als dass der Betriebsrat uns einfach sehr freundlich empfangen hat erstmal und total offen gegenüber einer Zusammenarbeit war. Und so ist es dann sozusagen peu à peu von Aktiventreffen zu Aktiventreffen sind es jeweils mehr Leute geworden, sowohl aus der Klimabewegung, als auch aus dem Betrieb – und jetzt stehen wir hier.“

 

Text

„Hier“ meint in diesem Fall das Alte Rathaus in Göttingen. Neben den Klimaaktivist*innen sind auch Beschäftigte der GöVB zur Stadtversammlung erschienen, um für ihre Interessen einzustehen. So auch Susanne Engelke. Sie ist die erste Busfahrerin der GöVB und sitzt seit 25 Jahren hinterm Steuer. Für sie ist das Busfahren nicht nur ein Beruf – es ist eine Berufung. Sie liebt den Umgang mit den Menschen, freut sich auf die Stammfahrgäste und genießt es, ganz Herrin der Lage zu sein, ohne dass ihr ständig jemand über die Schulter schaut. Dennoch sieht Engelke deutlichen Handlungsbedarf bei der Verbesserung der Arbeitsbedingungen.

 

O-Ton 2, Susanne Engelke, 40 Sekunden

Die Fahrtzeiten und die Wendezeiten, die müssten so wieder angepasst werden, dass man halt vernünftig fahren kann und wenn man Verspätung hat, die an den Endpunkten auch wieder auffangen kann. Das ist jetzt leider nicht so. Die Fahrzeiten sind sehr knapp. Seit über 20 Jahren haben sie sich nicht geändert, obwohl das Fahrgastaufkommen oder die Fahrzeuge draußen, die auf den Straßen sind – sei es Autos, Motorräder, Fahrräder, Pedelecs, was jetzt alles da so unterwegs ist – uns das sehr erschweren. Also wir können die Fahrtzeiten gar nicht einhalten, weil so viele andere Verkehrsteilnehmer auf der Straße sind. Und das ist halt wichtig, dass wir wieder zu dem Punkt hinkommen, dass wir stressfrei auch mal hinter einem Fahrradfahrer hinterher fahren können.“

 

Text

Stress haben die Fahrer*innen durch die enge Taktung der Fahrzeiten. Jede Minute, die ein Bus verspätet an der Zielhaltestelle ankommt, fehlt den Busfahrer*innen als Zeit für sich. Eine Verbesserung, die Engelke in den vergangenen Jahren festgestellt hat ist, dass es mittlerweile an fast allen Endhaltestellen eine Toilette gibt. Nur die Zeit, diese mal zu nutzen, fehlt. Die Arbeitsbedingungen werden erst im kommenden Jahr neu verhandelt. Dies geschieht über den Tarifvertrag Nahverkehr Niedersachsen (TVN). Die Lohnverhandlungen hingegen sind aktuell in vollem Gange. Mit der Unterstützung der Gewerkschaft ver.di laufen derzeit Gespräche zum Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD). Carsten Syring arbeitet im Gesundheitsmanagement und als Schwerbehindertenvertrauensmann der GöVB und sieht den Verhandlungen optimistisch entgegen.

 

 

O-Ton 3, Carsten Syring, 27 Sekunden

Also es ist ja dieses Mal eigentlich eine reine Gehaltsforderung. Uns geht es ja einmal um mindestens 500 Euro oder 10,5 Prozent und, also Geld merkt man ja dadurch, dass die Inflation so hoch ist. Das ist schon wichtig, dass die Kollegen auch mehr Geld im Portemonnaie haben. Also ich denke, die Arbeitgeber werden wieder auf Zeit spielen und es wird auch ohne Warnstreik nicht gehen. Aber ich erhoffe mir in den nächsten fünf bis sechs Monaten eine Einigung.“

 

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Mit der Stadtversammlung hat das Bündnis einen ersten Schritt in Richtung Öffentlichkeit gewagt. Rund 120 Personen sind nach Angaben der Veranstalter*innen zusammengekommen, darunter auch Vertreter*innen der lokalen Politik. Jetzt gelte es, das Bündnis und seine Arbeit großflächig publik zu machen. Ein größerer Aktionstag ist für den 3. März geplant. Der globale Klimastreik von Fridays for Future bietet dem Bündnis eine passende Gelegenheit. Weshalb dieser Tag für das Bündnis wichtig ist, erzählt die Klimaaktivistin Cara Hösterey,

 

O-Ton 4, Cara Hösterey, 30 Sekunden

Unser Ziel ist es, diese Plattform, die da von der Klimabewegung geschaffen wird, explizit zu nutzen, um darauf aufmerksam zu machen, dass wir mit den Beschäftigten beim GöVB gemeinsame Sache machen. Und wir gehen halt zusammen mit denen auf die Straße. Vielleicht wollen wir einen Bus mieten, wenn das irgendwie möglich ist. Vor allen Dingen aber eben unter dem Banner „Wir fahren zusammen“ gemeinsam auf die Straße gehen und Öffentlichkeit dafür schaffen. Bewusstsein dafür schaffen, dass diese Verhandlungen gerade passieren und dass es extrem wichtig ist, dass jetzt bessere Gehälter auf den Tisch kommen, damit eben dieser Beruf zukunftsfähig bleibt.“