Fokale Dystonie – Ursachen für Blechbläser-Krankheit soll aufgeklärt werden
Sendung: | Mittendrin Redaktion |
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AutorIn: | Leona Passgang |
Datum: | |
Dauer: | 04:43 Minuten bisher gehört: 1235 |
Stephan Schottstädt (im MRT Hornist Quartett German Hornsound), Peter Iltis (Prof für Bewegungswissenschaften Gordon College Massachussets u Leiter MRI Brass Repository Project am Max Planck Institut) (Bild: Leona Passgang)
Peter Iltis (Professor für Bewegungswissenschaften am Gordon College Massachussets und Leiter des MRI Brass Repository Projects am Max PLanck Institut in Göttingen) (Bild: Leona Passgang)
Manuskript
O-Ton 1: Horn im MRT, 10 Sekunden
Text
So hört es sich an, wenn Hornspieler Stephan Schottstädt im Göttinger Echtzeit-MRT liegt und spielt. Eigentlich ganz normal und trotzdem etwas Besonderes. Denn bis vor wenigen Jahren, wäre das noch gar nicht möglich gewesen. Wissenschaftler, die live zusehen können was im Mundraum von Schottstädt passiert, während er Horn spielt. Anstatt nur ein Foto zu sehen, ist es dem Göttinger Max-Planck-Institut gelungen das MRT so weiterzuentwickeln, dass sie jetzt ganze Videos in Echtzeit aufnehmen können. Und das ist weltweit einmalig. Der Leiter der Biomedizinischen NMR sowie der MPI für biophysikalische Chemie am Göttinger Max-Planck Institut, Jens Frahm, entwickelte das Göttinger Echtzeit-MRT und erhielt dafür im letzten Jahr den Erfinderpreis des Europäischen Patentamts.
O-Ton 1, Jens Frahm, 30 Sekunden
„Wir haben hier in den letzten Jahren eine Technik entwickelt, die Bilder durch Filme ersetzt, mit hoher zeitlicher Auflösung und damit sind wir eigentlich zum ersten Mal überhaupt in der Lage schnelle Körperfunktionen jeder Art zu untersuchen. Dazu gehört das schlagende Herz, es können aber auch Schluckuntersuchungen sein und auf der anderen Seite Sprechübungen, phonetische Fragestellungen und eben auch Blechbläser, bei denen man bisher gar nicht wusste in welcher Form sich die Zunge beispielsweise im Inneren beim Spielen bewegt.“
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Besonders für Blechbläser bietet das Echtzeit-MRT eine echte Chance, denn so kann die Berufskrankheit fokale Dystonie besser erforscht werden. Die Dystonie ist eine Funktionsstörung, deren genaue Ursachen aber nur schwer zu erklären sind. Die Folgen können besonders für Profi-Musiker schwerwiegend sein. Bei der Dystonie verkrampfen sich die Muskeln im und rund um den Mund, wodurch es für betroffene Musiker immer schwieriger wird zu spielen. Peter Iltis ist Professor für Bewegungswissenschaften am Gordon College in Massachusetts und selbst betroffen von der Dystonie. In Göttingen leitet er jetzt das „MRI Brass Repository Project“ und möchte die Krankheit mit Hilfe der neuen Technik erforschen, auch, um Musikern eine Sicherheit zu geben.
O-Ton 2, Peter Iltis 30 Sekunden
„Manchmal fühlt sich etwas seltsam an und die Musiker denken sofort: Oh! Ich habe Dystonie. Normalerweise ist es ein befremdliches Gefühl, man spielt und es fühlt sich einfach nicht mehr richtig an. Ab und zu hört die Musik sich auch trotzdem gut an, aber man fühlt sich einfach nicht gut. Musiker achten dann verstärkt darauf und von da an wird es immer schlimmer.“
Text
Etwa neun Prozent der professionellen Blechbläser sind von der Dystonie betroffen und nicht selten beendet sie Karrieren. Iltis spricht sowohl von erblichen als auch psychischen Ursachen. Oftmals seien es Trigger-Faktoren, wie Lampenfieber, Perfektionismus oder Stress, die die Dystonie hervorbringen und dann verstärken. Mit seinem Projekt möchte Iltis Muster und Unterschiede zwischen betroffenen und gesunden Profi-Musikern erkennen, um so Therapiemöglichkeiten und Präventionsmaßnahmen zu entwickeln. Einer der Profi-Musiker ist Stephan Schottstädt, er spielt im Staatsorchester Hannover und im Quartett „German Hornsound“ und hat keine Dystonie. Trotzdem war es auch für ihn spannend die Aufnahmen von sich selbst und seinen Kollegen zu sehen. Für die MRT-Aufnahmen mussten sie einzeln in die Röhre und auf dem Rücken liegend kurze Melodien und Notenabfolgen in verschiedenen Tempi spielen. Das Horn musste dafür dem MRT extra angepasst werden, erzählt Schottstädt.
O-Ton 3, Stephan Schottstädt 20 Sekunden
„Das ist wirklich komisch. Ich lag einmal im MRT wegen einer Kniegeschichte und es ist sowieso eng, die haben das aber toll gelöst. Also mit einem Horn, das ja eigentlich ein 3 Meter langes aufgerolltes Stück Metall ist, das haben sie wieder entrollt und so konnte man das in den MRT reinstecken und man musste eine Position finden und dann kann man tatsächlich auch spielen.“
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Die Aufnahmen der Musiker werden in einer Datenbank gespeichert, diese soll Profimusikern in Zukunft helfen die Schwierigkeiten zu erkennen und zu verstehen. Iltis plant außerdem die Zusammenarbeit mit einer australischen Physiotherapeutin, die bereits mit Dystonie-Erkrankten zusammengearbeitet und verschiedene Techniken entwickelt hat.
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