Sendung: Mittendrin Redaktion
AutorIn: Anna Thomas
Datum:
Dauer: 03:59 Minuten bisher gehört: 1640
In der Schule lernen wir, woher die Babys kommen. Wenn es um Geschlechtsorgane geht, wird relativ selbstverständlich über den Penis und Ejakulation gesprochen– denn das ist wichtig, wenn die Babys entstehen sollen. Bei Frauen geht es um die Eizelle, es geht auch um Brüste – davon hören wir meistens, wenn es um Sex geht. Dass es da noch viel mehr zu wissen gibt, lehrt Louisa Lorenz mit ihrem Workshop „ClitNight“, den sie seit 2016 – deutschlandweit – veranstaltet. Anna Thomas war mit ihr im Gespräch über die Anatomie des primären weiblichen Geschlechtsorgans, warum es so unterrepräsentiert ist und warum das wichtig für die Sexualaufklärung ist.

Louisa Lorenz, Veranstalterin der Clit Night (Bild: Anna Thomas)

Manuskript

Text

Im Großen und Ganzen kennen sich die meisten Menschen gut mit dem Penis aus: Ob „Mann“ nun selbst einen hat oder ihn schon mal gesehen hat. Von der Klitoris werden die Einen oder die Anderen auch schon mal gehört haben. Bei der Frage: „Was die Klitoris genau ist?“ werden wahrscheinlich auch einige selbstbewusst erklären: Das ist der „kleine Knubbel“ oberhalb der Vagina. Allerdings ist das, im wahrsten Sinne des Wortes, nur ein kleiner Teil des gesamten Schwellgewebes. Louisa Lorenz hat ihre Bachelorarbeit über die Klitoris geschrieben und erzählt Genaueres.

 

O-Ton 1, Louisa Lorenz, 45 Sekunden

Zwischen Klitoris und Penis an sich, da gibt es keinen großen Unterschied, nur, dass man den Penis von außen sehen kann und den Klitoris-Schwellkörper von außen halt nicht. Und das ist halt auch einer der wichtigsten Gründe, warum viele Leute doch so ein falsches Verständnis von der Klitoris haben, weil sie eben nicht in ihrer ganzen Größe von außen sichtbar ist und auch in der Aufklärung – oder generell in unserer Auseinandersetzung mit Sexualität – dann viel zu wenig darüber aufgeklärt wird – über diesen inneren Teil. Also im Gegensatz zu dieser Vorstellung, dass die Klitoris eben nur dieser „kleine Knubbel“ ist, ist so die Durchschnittsgröße der Klitoris so ungefähr neun Zentimeter bis zwölf Zentimeter.“

 

Text

Allgemein ist das weibliche Geschlechtsorgan unter den Begriffen „Scheide“ oder „Vagina“ bekannt. Das Wort „Scheide“ ist entstanden durch den Vergleich zwischen dem Schwert und dem Köcher, in das es gesteckt wird, der auch Scheide genannt wird. Es wurde also Penis zu Scheide in das Verhältnis von Schwert zu Scheide gestellt. Zudem wird auch der Begriff „Vagina“ für das gesamte Geschlechtsorgan benutzt, allerdings beschreibt der nicht alles. Für Louisa Lorenz ist es wichtig, dass diese Unterscheidungen reflektiert werden.

 

O-Ton 2, Louisa Lorenz, 41 Sekunden

Aber die andere Sache mit diesem Wort ist eben auch, dass Vagina eigentlich nur den inneren Teil bezeichnet – also diesen Schlauch, der quasi die Gebärmutter mit dem Äußeren verbindet. Und der äußere Teil, also das, was wir auch so direkt sehen können – dafür ist die eigentliche Bezeichnung „Vulva“. Und diese Unterscheidung ist schon nicht ganz unwichtig. Weil wir dadurch, dass wir ja eigentlich immer zu allem Vagina oder Scheide sagen, auch durch unsere Sprache dieses Geschlechtsteil reduzieren – auf diesen inneren Teil.“

 

Text

In der Sexualaufklärung wird der innere Teil der Vulva – also die Vagina – meistens in den Fokus gestellt. Das liegt daran, dass Sex an sich oft im Kontext von Reproduktion und der Unterbindung von Schwangerschaft besprochen wird. Zu selten wird aber über die weibliche Lust gesprochen: Wie Sex gewollt oder auch empfunden wird. Lorenz erklärt, warum das richtige Verständnis der Klitoris so wichtig in der Sexualaufklärung ist.

 

O-Ton 3, Louisa Lorenz, 44 Sekunden

Uns fehlt so ein bisschen die Kultur, um über diese Dinge zu sprechen, die noch zur Sexualität dazu gehören: Was gefällt mir eigentlich? Wie kann ich mit meinem Partner darüber reden? Wie kann ich meinen Partner danach fragen? Dieser Fokus auf Reproduktion, dadurch reden wir über die Vagina und wir reden über den Penis, aber wir reden in dem Zusammenhang meistens kaum über die Klitoris. Warum es auf jeden Fall sehr wichtig ist, darüber zu reden, ist Gleichberechtigung. Die Klitoris ist auch häufig in ihrer kompletten Größe in ganz vielen anatomischen Abbildungen gar nicht abgebildet. Und das zeigt natürlich schon ein großes Missverhältnis auf, wie mit Geschlechtsteilen umgegangen wird.“

 

Text

Aus Lorenz‘ allgemeinem Interesse an der gesellschaftlichen Bedeutung von Geschlechterverhältnissen rief sie die „ClitNight“ ins Leben, in der es auch um die eigenen Sexualität gehen soll. Der Workshop richtet sich an alle interessierten Menschen – unabhängig von Geschlecht oder sexueller Orientierung.