Hochschulen in Zeiten der Pandemie - Teil 1: Semesterstart in Krisenzeiten
Sendung: | Mittendrin Redaktion |
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AutorIn: | Lucie Mohme |
Datum: | |
Dauer: | 05:32 Minuten bisher gehört: 228 |
Die Vizepräsidentin für Studium, Lehre und Chancengleichheit, Andrea Bührmann (Bild: Christoph Mischke)
Manuskript
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Bei der Georg-August-Universität Göttingen stehen die endgültigen Immatrikulationszahlen noch nicht fest, da der Semesterstart aufgrund von Corona in den November verschoben wurde. Die Tendenz der bisher absehbaren Einschreibungen liegt bei ungefähr 4.800 neu Immatrikulierten und somit ist ein Rückgang von rund 1.000 Erstsemestern im Vergleich zum vergangenen Wintersemester zu verzeichnen. Auch die Einschreibungen von Bewerbenden aus Niedersachsen sind leicht gesunken. Die Vizepräsidentin für Studium, Lehre und Chancengleichheit, Andrea Bührmann, vermutet hinter dem Rückgang aber einen Grund abseits der Pandemie:
O-Ton 1, Andrea Bührmann, 19 Sekunden
„In Niedersachsen gibt es dieses Jahr kein Abitur. Und das ist der Hintergrund dafür, denke ich, dass die Zahlen bei uns etwas runtergegangen sind. Also es hängt nicht nur oder eigentlich gar nicht mit Corona zusammen oder einer Digitalisierung von Lehre, sondern es hängt mit ganz einfachen analogen Gründen zusammen.“
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An der Göttinger Universität sind im Wintersemester besonders Psychologie, Rechtswissenschaften und Betriebswirtschaftslehre gefragt: Die Anfragen für Psychologie sind dabei um knapp 25 Prozent auf über 2.500 Bewerbungen gestiegen. Während an der Universität die Zahl der Neueinschreibungen gesunken ist, verzeichnet die Hochschule für Angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK) am Standort Göttingen für das Wintersemester sogar einen leichten Zuwachs. Schrieben sich im vergangenen Wintersemester 490 junge Menschen ein, waren es nun 540. Das aktuelle Wintersemester hat hier auch schon in den ersten Oktoberwochen begonnen. Studiengänge des Gesundheitswesens und der sozialen Arbeit, aber auch Ingenieursfächer und Forstwissenschaften sind bis zu 150 Prozent ausgelastet. Mit gerade einmal 50 Prozent nachgefragt waren dieses Semester hingegen Studiengänge wie Elektro- und Informationstechnik sowie Fächer der physikalischen Technologien. Der Präsident der HAWK, Marc Hudy, kann sich unter anderem folgende Gründe für diese Zahlen vorstellen:
O-Ton 2, Marc Hudy, 30 Sekunden
„Für uns als Fachhochschule haben wir den Effekt, also gerade am Standort Göttingen haben wir einen Großteil unserer Studierendenschaft, man kann ungefähr von 80 oder mehr Prozent ausgehen, die kommen doch aus einem Umkreis von 100 Kilometern um die Region herum. Wir vermuten, dass eben auch viele junge Menschen, die auch andere Dinge in diesem Jahr vorhatten, wie zum Beispiel Auslandstätigkeiten, Auslandssemester, Work und Travel eben davor zurückscheuen oder eben daran gehindert sind und stattdessen doch ihr Studium gleich aufgenommen haben.“
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Bei der PFH Privaten Hochschule Göttingen ist die Anzahl der neuen Studierenden exakt genau so groß wie im vergangenen Wintersemester. 170 Studierende steigen in Studiengänge wie unter anderem Psychologie, Wirtschaftsinformatik oder Management ein. Der neue Studiengang Orthobionik, der sich mit verantwortungsvollem Einsatz von Technologie am Menschen beschäftigt, erfreue sich bei den Studierenden ebenfalls einer großen Nachfrage. Frank Albe, Präsident der PFH, bilanziert:
O-Ton 3, Frank Albe, 35 Sekunden
„Kein Rückgang, obwohl wir ja in Niedersachsen hier keinen Abiturjahrgang hatten oder damit zwei Drittel weniger Abiturienten hatten, da wir von G8 auf G9 zurückgegangen sind, hatten wir gedacht, dass es einen Rückgang gibt, aber dem ist nicht so. Die Studierenden kommen aus Bundesländern, wo es nicht dieses G8 auf G9 gegeben hat. Aber wir haben dadurch, dass Göttingen weniger Abiturienten hervorgebracht hat, halt auch welche, die aus anderen Regionen zu uns kommen. Also unsere Programme sind alle weitgehend gleich wie im letzten Jahr eingeschrieben worden. Die stärksten Immatrikulationen haben wir in dem Studienfach Psychologie.“
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Sei es nun die Rückkehr zu G9 oder die Corona-Pandemie: Auch am studentischen Wohnungsmarkt gibt es in diesem Jahr Veränderungen. Schon im Sommer gab es Rückgänge bei der Zimmernachfrage, größtenteils wegen fehlender Erasmus-Studierender, so dass 180 leerstehende Zimmer zu verzeichnen waren. Die Einzelapartments sind nach momentanen Stand, wie schon in den vorigen Jahren, die am meisten nachgefragte Wohnform. Gründe für die leeren Zimmer sind vor allem die Erwartungshaltung eines digitalen Semesters, wodurch inländische Studierende oftmals an ihrem Heimatort bleiben oder dass Auslandsstudierende aufgrund von Corona-Regelungen Schwierigkeiten mit der Ausreise haben. Die Pressesprecherin des Studentenwerks Göttingen, Anett Reyer-Günther, zeichnet ein Bild zwischen hoher Nachfrage und plötzlichem Überangebot:
O-Ton 4, Anett Reyer-Günther, 35 Sekunden
„Also wir hatten im Januar und Februar noch eine sehr sehr gute Wohnnachfrage. Auch im Vergleich zum Vorjahr hatte die sich gesteigert. Und mit dem März begann dann eben ein Rückgang der Wohnnachfrage, der sich vor allem in den Monaten Juni, Juli, August ganz stark manifestiert hat. Unsere Prognose aus dem Juli 2020, dass wir befürchtet haben, 800 leerstehende Zimmer zum Wintersemester zu haben, die können wir noch nicht ganz aus der Welt räumen. Wir müssen einfach abwarten jetzt auch bis November 2020.“
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Die Zimmernachfragen waren nicht das einzige Problem des Studentenwerks. Ab April gab es einen „Nothilfefonds“, der Studierenden unterstützte, die Engpässe bei der Finanzierung des Studiums hatten. Zahlenmäßig gab es da vom Studentenwerk 50.000 Euro und 47.500 Euro über Spenden vom Göttinger Alumni e.V.. Danach gab es vom Bundesministerium für Bildung und Forschung eine bundesweite Überbrückungshilfe von 1,28 Millionen Euro. Die Pandemie greift das Studierendendasein also an unterschiedlichsten Aspekten an, dennoch versuchen Hochschulen, Studentenwerk und Staat dagegenzuhalten.
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