Universität Göttingen übergibt menschliche Überreste der Maori und Moriori in feierlicher Zeremonie an neuseeländische Delegation
Sendung: | Mittendrin Redaktion |
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AutorIn: | Mailin Matthies |
Datum: | |
Dauer: | 05:48 Minuten bisher gehört: 348 |
Manuskript
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Vorfahren der neuseeländischen Maori und Moriori haben ihre Reise aus Göttingen zurück in ihre Heimat angetreten. Die Gebeine von 32 Individuen lagerten seit Jahrzehnten in Sammlungen der Universität Göttingen. Die Universität gab die menschlichen Überreste nun in einer feierlichen Zeremonie in der Alten Mensa an eine neuseeländische Delegation zurück. Die Rückführung dieser sogenannten „ancestral remains“ solle Teil der Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit der Universität und der Stadt sein, teilte die Uni mit. Die Rückgabe habe auch eine große kulturelle Bedeutung für die Maori und Moriori, so Kiwa Hammond. Er ist Kultureller Berater für das neuseeländische Nationalmuseum Te Papa Tongarewa, das für die Rückführung verantwortlich ist.
O-Ton 1, Kiwa Hammond
"And through this delegation the people have heard the Moriori language actually spoken and sung for the very first time since they were taken. We are people who lost our language, lost our customs, lost our way. But now, we are rediscovering our way. This is part of the way."
Durch diese Delegation haben die Vorfahren zum ersten Mal die Sprache der Moriori gesprochen und gesungen gehört, seit sie weggebracht wurden. Wir sind ein Volk, das seine Sprache verloren hat, das seine Bräuche verloren hat, das seinen Weg verloren hat. Aber jetzt entdecken wir unseren Weg neu. Das ist ein Teil dieses Weges.
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Den hohen symbolischen Wert betonten auch andere Vertreter der neuseeländischen Delegation. Sie erinnerten an das Unrecht, dass die Kolonialmächte den indigenen Völkern angetan hatten. Die Übergabe sei ein Tag für Dankbarkeit, zum Feiern, aber auch zum Gedenken, so der neuseeländische Botschafter Craig Hawke. Die Zeremonie war auch deshalb geprägt von den Traditionen und Gebräuchen der Maori und Moriori – vor allem von traditionellen Gesängen.
O-Ton 2, Musik, Zeremonieeindrücke
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Nach einer privaten Zeremonie trug die neuseeländische Delegation unter traditionellen Gesängen die Gebeine in Pappboxen in den Veranstaltungssaal. Die Boxen wurden während der Zeremonie von einem schwarzen Tuch verdeckt. Viele der Redebeiträge aus der neuseeländischen Delegation waren gespickt mit Ausschnitten in den Sprachen der Maori und Moriori.
Musik
Die Gebeine kamen Ende des 19. Jahrhunderts durch das Hamburger Unternehmen Umlauff nach Deutschland. Umlauff handelte mit den Erwerbungen deutscher Kolonialisten, obwohl der Handel mit menschlichen Überresten der Maori und Moriori verboten war. Nach dem Zweiten Weltkrieg gelangten die Gebeine über das Hamburger Museum für Völkerkunde in die Göttinger Sammlungen. Andere kamen über den Händler Kluckauf über Wien nach Göttingen. Sowohl in Deutschland als auch in Neuseeland war dies lange weitestgehend unbekannt und fand wenig Beachtung. Das bestätigt auch Chas Karauria Taurima, der als Vertreter der Moriori bei der Zeremonie dabei war, in seiner Rede.
O-Ton 3, Chas Karauria Taurima
"Moriori culture was rich and vibrant. It encomposed music, art, writes of passage and other cherished customs. However, like many indigenous cultures, Moriori have enjoyed great hurtures, reslting in the loss of numerous cultural practices."
Die Moriori-Kultur war reich und lebendig. Sie bestand aus Musik, Kunst, Texten und weiteren in Ehren gehaltenen Bräuchen. Aber, wie viele indigene Völker, haben die Moriori große Gewalt erfahren, was den Verlust von vielen kulturellen Praktiken bedeutete.
"A lot of people don’t know much about Moriori. In fact, you’ve heard some Moriori today and I would say you’ve heard more than most New Zealanders have ever heard, because we are not a very big group of people. So it was quite surprising to us to discover how much of our ancestors ended up over here – quite a lot."
Viele Menschen wissen wenig über die Moriori. Tatsächlich habt ihr heute einige Moriori gehört, und damit, würde ich sagen, mehr als die meisten Neuseeländer, denn wir sind keine besonders große Volksgruppe. Deshalb war es durchaus überraschend für uns, herauszufinden, wie viele unserer Vorfahren hier drüben gelandet sind – und zwar ziemlich viele.
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Das bestätigen auch die Ergebnisse des Forschungsprojekts „Sensible Provenienzen“. In den vergangenen Jahren versuchten Göttinger Wissenschaftler:innen und Forschende aus den Herkunftsländern in dem Projekt, die Gebeine in den Sammlungen korrekt zu identifizieren – denn erst dann ist eine Rückführung möglich. Etwa 1800 Gebeine liegen noch in den Sammlungen, viele aus der Kolonialzeit. Sie stammen aus Ozeanien, aber beispielsweise auch aus Tansania oder Hawaii. Überreste von 32 Individuen wurden nun zurückgegeben, vergangenes Jahr gab es auch eine weitere Rückführung nach Hawaii. Doch noch sei es ein weiter Weg und viel Arbeit stehe angesichts der Größe der Sammlungen noch bevor, so Regina Bendix, die als Professorin das Forschungsprojekt mitbetreut.
O-Ton 4, Regina Bendix
„Man merkt natürlich schon, es ist ein Tropfen auf dem heißen Stein. Und wenn man dann denkt, wie viele solche Sammlungen es im globalen Norden gibt – das ist komplex. Vor allem gibt es auch sehr viele, wo wir keine Dokumentation haben.“
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„Ancestral remains“, die in Sammlungen in Deutschland lagern, sollen laut einer Initiative der Bundesregierung identifiziert und zurückgegeben werden. Dies unterstütze die Uni Göttingen ausdrücklich, so Universitätspräsident Metin Tolan. Das von der Volkswagenstiftung finanzierte Forschungsprojekt „Sensible Provenienzen“ trägt dazu bei. Auch weitere Rückführungen seien geplant und von den Herkunftsländern gewünscht, so Professorin Bendix. Die Finanzierung für das Projekt laufe allerdings im November aus, ein Folgeantrag bei einem anderen Geldgeber sei aber schon gestellt. So seien weitere Rückführungen hoffentlich auch in Zukunft möglich.
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