Sendung: Mittendrin Redaktion
AutorIn: Emma Seifert
Datum:
Dauer: 04:31 Minuten bisher gehört: 339
Die Diskussionen um möglicherweise gefährliche Inhaltsstoffe in Tattoo-Farben kreist schon seit Jahren durch die Tätowierer*innen-Szene. Jetzt steht fest: Aufgrund einer Änderung der EU-Chemikalienverordnung REACH werden nun ganze Farben ab Januar 2022 verboten. Emma Seifert hat sich angesehen, wie dieses Verbot bei den Tätowierer*innen ankommt und welche Geschichten es sonst so aus den Tattoostudios unserer Region zu erzählen gibt:

Manuskript

O-Ton 1, Atmo, 2 Sekunden

 

Text

Für immer mehr Menschen bedeutet dieser Ton Freude – Vorfreude auf ein neues Tattoo. Denn jede fünfte Person in Deutschland ist mindestens einmal tätowiert. Eine neue EU-Verordnung wird die Arbeit der Tätowierer*innen ab 2022 jedoch deutlich erschweren. Laut der Verordnung enthalten die Tattoo-Farben blau und grün bestimmte Stoffe, die beispielsweise Hautallergien auslösen oder sogar zu genetischen Mutationen und Krebs führen können. Ab dem neuen Jahr sollen deswegen rund zwei Drittel weniger Farben zulässig sein. Bei den Künstler*innen stößt diese Entscheidung auf Kritik und Verunsicherung. Andreas Dietrich, Besitzer des Farbwerk-Tattoostudios in Nörten-Hardenberg erklärt, was er von dem Verbot hält:

 

O-Ton 2, Andreas Dietrich, 30 Sekunden

Einerseits ist es begrüßenswert, dass man da was macht und es ist ja auch für mich gut, wenn ich weiß, meine Farben sind sicherer und für die Kunden verträglich, aber man hätte es schon ein bisschen mehr mit der Branche zusammen machen können, weil ich meine, immerhin unterschreiben meine Kunden mir, dass sie sich der Risiken und Nebenwirkungen bewusst sind und die sind alle 18 und ich darf mir ja auch Alkohol kaufen und Zigaretten kaufen. Warum darf ich mich nicht entscheiden, mich tätowieren zu lassen? Und darf nicht diese Risiken auch in Kauf nehmen? Da weiß ich manchmal auch nicht, warum da jetzt unbedingt so eine restriktive Vorschrift irgendwie her muss.“

 

Text

Auch während den Lockdown-Phasen mussten viele Tattoo-Studios um ihren Existenzen kämpfen, da sie oftmals zu den Einrichtungen zählten, die erst ganz zum Schluss wieder öffnen durften. Währenddessen mussten sich Tattoo-Liebhaber*innen gedulden. Einige kamen daher auf die Idee, sich selbst Tattoos zu stechen. „Stick and Poke“ nennt sich die einfachste Form von Tattoos. Ohne maschinelle Hilfe wird hierbei die Tinte mithilfe einer einzelnen Nadel unter die Haut gepikst. Anton Schwarz, Tätowierer im Black-Line-Studio in Göttingen kennt einige dieser do it yourself Lockdown Tattoos.

 

O-Ton 3, Anton Schwarz, 13 Sekunden

Die hatten dann irgendeinen Kumpel, der aus Spaß sich so ein Amazon-Kit besorgt hat und hat dann irgendetwas hingefutscht. Und die kamen dann „Könntest du es bitte retten?“, solche Sachen. Wenn man keine Ahnung von hat, dann sollte man lieber die Finger von lassen“.

 

Text

Tattoo-Motive entstehen dabei aus den unterschiedlichsten Gründen und besitzen auch nicht immer eine tiefere Bedeutung. Jascha Wigger, Tätowierer bei Jenny-B‘s-Tattoostudio in Göttingen erzählt von dem kuriosesten Motiv, was er bisher gestochen hat:

 

O-Ton 4, Jascha Wigger, 18 Sekunden

Ich habe neulich ein Freundschaftstattoo gestochen. Zwei Herren haben sich da ein „Schweinhorn“ auf den Hintern tätowieren lassen, also eine Mischung aus Einhorn und Schwein und das haben sie so platziert, dass sie quasi mit ihren Hintern aneinander stoßen können und dabei die Schweinhörner auch ihre Bäuche aneinander stoßen. Das fand ich sehr witzig.“

 

Text

Dabei ist der Hintern nicht gerade eine anfänger*innenfreundliche Stelle. Fürs erste Tattoo wird von Tätowierer*innen der Arm empfohlen, hier klagen die wenigsten über große Schmerzen. Immer dort wo die Nadel direkt auf den Knochen sticht, kommt es zu größeren Beschwerden. Generell lässt sich jedoch sagen, dass jeder Mensch eine andere Schmerzgrenze hat, da die Schmerzen abhängig von den Nerven sind, die unter der Haut verlaufen. Auch sind einige Körperstellen, wie Beine oder Oberarme leichter zu verdecken als beispielsweise Tattoos im Gesicht oder an den Händen. Anton Schwarz erklärt, was er über Tattoos an den Händen denkt:

 

O-Ton 5, Anton Schwarz, 31 Sekunden

Also ich sag immer „Hals und Hände erst zum Ende“, weil sehr viele Leute, gerade so die jüngeren, sehen bei irgendwelchen Rappern oder so, dass sie sich die Hände tätowiert haben oder so. Dann kommen sie auch hier hin und „Ah ich möchte meine Hand tätowieren“ und dann rede ich dann erstmal mit denen und sage denen halt, dass denen bewusst sein muss, dass: Es bleibt halt für immer. Und in manchen Bereichen ist es halt immer noch so ein „Job-Blocker“ so, manche Leute wollen es halt nicht sehen. Deswegen rede ich dann erstmal mit denen und wenn sie halt wirklich darauf beharren – Eigenverantwortung ne.“

 

Text

Um das Infektionsrisiko zu senken und möglichst lange Freude an diesem dauerhaften Körperschmuck zu haben, sollten einige Pflege-Tipps beachtet werden. Beispielsweise wird davon abgeraten, die ersten Wochen nach einem neuen Tattoo ein Sonnenbad zu nehmen oder die Schwimmhalle zu besuchen. Außerdem sollte das Tattoo mehrmals täglich mit einer Wund- und Heilsalbe aus der Apotheke eingecremt werden.